Bedingte Unverwertbarkeit bei unterlassener Zeugenbelehrung

Pflicht zur Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht bei Auskunftspersonen sui generis und Rechtsfolgen der unterbliebenen Belehrung.

Lesen Sie hier unsere Urteilsanmerkung zum Urteil des Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 14. November 2018 im Verfahren SB.2018.32. Der kurze Aufsatz ist im Februar 2020 in der Zeitschrift Forumpoenale Heft Nr. 1/2020 S. 31 ff. erschienen.

Polizist als Anzeiger, Ermittler und Zeuge in einem

Polizist P. ist privat in seinem Personenwagen unterwegs. Auf der Autobahn A2/3 vor und im Schweizerhalle-Tunnel glaubt er, unseren Mandanten M. im Nebenfahrzeug fahrend bei ca. 100 km/h beim Blättern und Lesen einer Broschüre auf dem Lenkrad gesehen zu haben. Am folgenden Tag ermittelt P. das Geschäft von M. als Halter des betroffenen Fahrzeuges und ruft diesen an. M. gibt daraufhin zu, am Vortag zu der fraglichen Zeit mit dem Fahrzeug gefahren zu sein. Als M. anschließend eine E-Mail von P. mit einer zu unterschreibenden  „Sachverhaltsanerkennung“ erhält, kontaktiert er uns. Wir raten, den Sachverhalt zu bestreiten und die Unterschrift zu verweigern.

Es beginnt ein Strafverfahren, dass erst mit einem Freispruch durch das Kantonsgericht Basel-Landschaft als zweiter Instanz endet, nachdem das Strafgericht als erste Instanz die Buße der Staatsanwaltschaft wegen einfacher Verkehrsregelverletzung noch bestätigt hatte. Das Kantonsgericht erachtet in seinem Urteil vom 1. November 2016 die Glaubwürdigkeit von P. als „angekratzt“. Dieser hatte nämlich im Vorverfahren von einer Kontrollfahrt gesprochen und dadurch den Anschein erweckt, in polizeilicher Mission unterwegs gewesen zu sein. Erst auf Nachfrage der Verteidigung gab er zu, an jenem Tag privat und alleine gefahren zu sein. Im Gegensatz dazu ist M. nach Ansicht der Kantonsrichter glaubwürdig, da er von Anfang an die Fahrt an sich zugegeben, jedoch das Lesen von Dokumenten bestritten habe.

Das Kantonsgericht hält schließlich fest, dass das Verhalten von P. mit seinen mehreren Funktionen im Hinblick auf die Ausstandsregeln von Art. 56 StPO heikel sei. Er sei als Anzeigeerstatter, Ermittler und Zeuge aufgetreten.

(Bild: Stefan Meichssner, Seebrücke von Sellin, Rügen)