Keine tiefere IV-Rente bei Soziallohn durch Arbeitgeberin

Wird ein Angestellter krank und ist langfristig nicht mehr in der Lage, seine vertraglich vereinbarte Arbeit zu erledigen, kann die Arbeitgeberin auf unterschiedliche Weise damit umgehen. Sie kann nach Ablauf der gesetzlichen Sperrfristen das Arbeitsverhältnis einseitig auflösen, also kündigen. Sie kann sich aber auch dafür entscheiden, dem Angestellten eine neue, dem gesundheitlich zumutbaren Leistungsprofil entsprechende Tätigkeit anzubieten, verbunden mit einem ebenfalls angepassten Salär (dies kann mittels Änderungskündigung oder durch Vereinbarung umgesetzt werden). Die Arbeitgeberin kann aber auch bewusst auf eine Vertragsanpassung verzichten und trotz gesundheitlich bedingter Leistungseinbusse des Angestellten weiterhin das gleiche Gehalt ausrichten. Jener Teil des Lohnes, der nicht mehr der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entspricht, nennt man Soziallohnkomponente.

Sozialversicherungsrechtlich ist es wichtig, eine Soziallohnkomponente zu erkennen. Die IV-Grad-Berechnung als Grundlage für eine IV-Rente vergleicht das sog. Validen- mit dem sog. Invalideneinkommen, d.h. es wird die Erwerbseinbuße ermittelt, die dadurch resultiert, dass ein Angestellter mit der gesundheitlichen Einschränkung nicht mehr so viel verdienen kann wie als gesunder Arbeitnehmer. Maßgebend für das Invalideneinkommen ist grundsätzlich das zuletzt tatsächlich (und in gesundheitlicher Hinsicht zumutbar) erzielte Einkommen. Bei einer Soziallohnkomponente ist das Invalideneinkommen zu hoch, die Erwerbseinbuße zu klein und damit der IV-Grad zu tief. Richtigerweise muss die Soziallohnkomponente vom Invalideneinkommen abgezogen werden, wodurch ein höherer IV-Grad resultiert.

Um eine Soziallohnkomponente zu erkennen, fragt die IV-Stelle bei der aktuellen oder letzten Arbeitgeberin mittels standardisiertem Fragebogen nach, ob der ausbezahlte Lohn der tatsächlichen Leistung entspricht. Wird dies verneint, darf die IV-Stelle dies nicht einfach übergehen und die Glaubwürdigkeit der von der Arbeitgeberin gemachten Angaben pauschal anzweifeln. Vielmehr hat sie in freier Beweiswürdigung zu entscheiden und zu begründen, weshalb sie unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einer Soziallohnkomponente ausgeht oder aber eine solche verneint.

Die Soziallohnkomponente allein gestützt auf eine Einschätzung eines RAD-Arztes zu verneinen, der in seiner Stellungnahme die Aussagen der Arbeitgeberin übergeht und/oder negiert und daraus gar in Abweichung der Einschätzung anderer Fachärzte Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit des Angestellten ziehen will, ist unzulässig. Ein solches Vorgehen wird von den Gerichten nicht geschützt.

(Foto: Rockefeller Center New York City, Stefan Meichssner, October 2017)