KTG-Versicherer darf nicht immer Berufswechsel verlangen

Hat der Arbeitgeber eine kollektive Krankentaggeldversicherung für seine Angestellten abgeschlossen, lösen im Krankheitsfall Versicherungsleistungen die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers ab.

Gegenüber dem Versicherer muss der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen. Diese bezieht sich auf seine arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit (sog. angestammte Tätigkeit).

In Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung (vgl. 243 ZPO) gelten Arztzeugnisse und fachärztliche Berichte beweisrechtlich bloss als Parteigutachten, welche als Bestandheil der Parteivorbringen und nicht als eigentliche Beweismittel gelten (vgl. BGE 140 III 16). Als Parteivorbringen können sie jedoch allenfalls zusammen mit Indizien Beweis erbringen (vgl. BGE 141 III 433).

Will der KTG-Versicherer die Taggeldzahlungen einstellen, weil die angestammte Tätigkeit zwar medizinisch nicht mehr zumutbar ist, eine körperlich angepasste Tätigkeit aber sehr wohl, stellt sich die Frage der Schadenminderungspflicht (vgl. Art. 38a VVG). Nach Art. 38a VVG muss der Anspruchsberechtigte nach Eintritt des befürchteten Ereignisses tunlichst für Minderung des Schadens sorgen. Zur Erfüllung der Schadenminderungsobliegenheit kann ein Berufswechsel notwendig sein.

Macht der Versicherer einen Berufswechsel geltend, muss er dies aber zuerst dem Versicherten mitteilen und eine angemessene Frist setzen, damit dieser sich anpassen und eine Stelle finden kann. Dabei reicht – anders als bei der Invalidenversicherung – ein Verweis auf die medizinisch-theoretische Arbeitsfähigkeit und/oder den sog. ausgeglichenen Arbeitsmarkt nicht. Entscheidend ist, welche reellen Chancen der Versicherte unter Berücksichtigung seines Alters und der Situation auf dem Arbeitsmarkt hat, eine gesundheitlich angepasste Arbeit zu finden. Zusätzlich muss geprüft werden, ob ein Berufswechsel unter Berücksichtigung der Ausbildung, der Arbeitserfahrung und des Alters dem Versicherten tatsächlich zugemutet werden kann.

Im von uns vor Versicherungsgericht vertretenen Fall konnte der Versicherte beweisen, dass er für eine längere als vom Versicherer behaupteten Periode vollständig arbeitsunfähig war und die Frist für einen zumutbaren Berufswechsel erst später als vom Versicherer behauptet, einsetzen konnte. Der Versicherte konnte somit für einen längeren Zeitraum Leistungen beziehen.