Der Knall ist weitherum zu hören. Morgens in der Früh explodiert neben einer Frau auf einer Straße eine Handgranate, wie sich später herausstellt. Die Frau nimmt zunächst nur einen Blitz und einen Knall wahr. Erst am Abend bemerkt sie eine Verletzung am Finger und einen Splitter im Unterleib. Ebenfalls erst am Abend stellen Anwohner in ihren Wohnungen in mehreren Fenstern kleine Löcher fest. Dringend tatverdächtig ist der Ehemann der Frau, der von ihr getrennt lebt und drei Tage später bei der Einreise in die Schweiz festgenommen wird. Der Ehemann bestreitet eine Beteiligung. Die Oberstaatsanwaltschaft beruft uns zur amtlichen notwendigen Verteidigung.
Weil das Sprengstoffdelikt nach Art. 23 Abs. 1 Bst. d StPO der Bundesgerichtsbarkeit untersteht, zieht die Bundesanwaltschaft den ganzen Fall an sich (Art. 26 Abs. 2 StPO) und übernimmt uns als Pflichtverteidigung. Die Bundesanwaltschaft lässt die Tat rekonstruieren und ein pyrotechnisches Gutachten erstellen. Alsdann erhebt sie Anklage beim Bundesstrafgericht in Bellinzona. Sie verlangt die Verurteilung des Ehemannes wegen Mordversuchs, Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht sowie Sachbeschädigung und beantragt eine Freiheitsstrafe von elf Jahren. Der Ehemann verneint eine Beteiligung bis zuletzt und verlangt einen Freispruch. Er sei zur Tatzeit nicht am Tatort gewesen, es gebe keine Daten des Mobiltelefons, der Sicherungsbügel der Handgranate M75 sei erst mehr als 24 Stunden nach der Tat an einer viel befahrenen Straße gefunden worden und die daran festgestellte DNA von ihm beweise die Tat nicht.
Das Bundesstrafgericht verurteilt mit Urteil vom 18. März 2015 den Ehemann „nur“ wegen des Versuchs der vorsätzlichen Tötung (Art. 111 StGB) und der Sachbeschädigung (Art. 144 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Es hält fest, dass allein der Umstand, dass der Tötungsversuch mit einer Handgranate begangen worden sei, nicht auf die für Mord (Art. 112 StGB) verlangte besondere Skrupellosigkeit schließen lasse. Für den Ehemann sei es schlicht praktischer gewesen, in seiner bosnischen Heimat eine Handgranate für 10 Euro zu kaufen als eine Schusswaffe. Schließlich lasse auch das mögliche Motiv, in einer zerrütteten Ehe keinen Unterhalt mehr an seine Ehefrau zu bezahlen, den Ehemann nicht als besonders gefühlskalten, primitiven Täter erscheinen.
Da die Anklage keine konkrete Gefährdung weiterer Personen durch die Explosion der Handgranate behauptet, entfalle, so die Bundesstrafrichter, eine zusätzliche Verurteilung des Ehemannes wegen des Sprengstoffdelikts (Art. 224 StGB). Das Tötungsdelikt konsumiere das Sprengstoffdelikt.
(Bild: Stefan Meichssner, Am Strand von Baabe, Rügen)