Raser verlieren ihr Auto nicht in jedem Fall

Auf Schweizer Landstraßen gilt eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h. Wer 60 km/h zu schnell fährt, also 140 km/h oder noch schneller unterwegs ist, gilt als „Raser“. Er begeht gemäß Gesetz „in jedem Fall“ eine „besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit“ und wird mit einer Freiheitsstrafe von einem bis vier Jahre bestraft (Art. 90 Abs. 3 und Abs. 4 SVG). Das Bundesgericht anerkennt immerhin nach anfänglichem Zögern, dass „in jedem Fall“ nicht ungeachtet eines ausnahmsweise fehlenden Vorsatzes die harte Bestrafung nach sich ziehen darf (BGE 142 IV 137 ff.).

Unser Mandant wird abzüglich der Toleranz außerorts mit genau 140 km/h geblitzt. Das Fahrzeug ist zwar auf seinen Namen zugelassen, doch es wird zur Hauptsache von der Ehefrau als Familienauto genutzt, weil der Mandant normalerweise mit seinem Geschäftsauto herumfährt. Dennoch beschlagnahmt die Staatsanwaltschaft vorliegend das Fahrzeug als Tatwerkzeug standardmäßig zur Sicherstellung seiner möglichen späteren Einziehung durch das Gericht (Art. 90a SVG; Art. 263 StPO).

Der Mandant ist geständig. Wir können durch Einwilligung ins abgekürzte Verfahren bei der Staatsanwältin erreichen, dass das Fahrzeug nach wenigen Wochen freigegeben und der Ehefrau des Mandanten ausgehändigt wird. Außerdem erhält unser Mandant die minimale Freiheitsstrafe auf Bewährung und eine happige Buße dazu (Art. 42 Abs. 4 StGB). Das Gericht akzeptiert schließlich den „Deal“ (Art. 362 StPO).

(Foto: Autos im Hochland bei Emstrur, Island, Stefan Meichssner, August 2017)

 

Architektenvertrag: Auftrag oder Werkvertrag?

Die rechtliche Einordnung des Vertrags des Architekten mit seinem Auftraggeber ist Gegenstand einer langen Kontroverse. Dies rührt daher, dass er als Planervertrag gesetzlich nicht geregelt ist. Er kann verschiedene baubezogene Leistungen beinhalten, z.B. Erstellung eines Kostenvoranschlages, Zeichnung von Plänen und Skizzen, Bauleitung und Vergabe von Arbeiten.

Entgegen Art. 394 Abs. 2 OR sind Planerverträge  nicht automatisch einfache Aufträge, sondern unterstehen einzelne Leistungen dem Recht des Auftrags, andere sind als Werkverträge einzustufen. Für das Bundesgericht ist für die Abgrenzung das Kriterium der Überprüfbarkeit des Arbeitserfolges zentral: Ein Kostenvoranschlag kann (nachträglich) überprüft werden, die Bauleitung nicht.

Der globale Planervertrag, der sämtliche Planleistungen verschiedener Fachrichtungen für ein Bauvorhaben in einem Dokument enthält (Planung, Bauleitung, Erstellen Kostenvoranschlag, Vergabe von Bauarbeiten) gilt gemäß bundesgerichtlicher Rechtsprechung und einem Teil der Lehre als gemischter Vertrag. Die Fiktion  eines Gesamtvertrages ist jedoch trügerisch, da auch das Bundesgericht eine „Spaltung“ der Rechtsfolgen je für auftragstypische und werkvertragstypische Leitung vorsieht. Nur die vorzeitige Auflösung des Gesamtvertrages will das Bundesgericht auf jeden Fall dem Auftragsrecht und damit insbesondere dem jederzeitigen Kündigungsrecht von Art. 404 OR unterstellen. Ein anderer Teil der Lehre will den Planer-Gesamtvertrag ungeteilt dem Auftragsrecht unterstellen. Also nicht nur die vorzeitige Auflösung, sondern generell sollen sich die Rechte und Pflichten und insbesondere die Haftung nach den Regeln des einfachen Auftrags bestimmen. Die Gesamttätigkeit sei qualitativ mehr als bloß die Summe der Teilleistungen. Unabhängig davon, ob einzelne Arbeitserfolge wie z.B. Pläne geschuldet seien, richte sich die Arbeit des Architekten auf eine geistige Gesamttätigkeit, durch die zur Errichtung der Baute beigetragen wird, die jedoch nicht das Werk als Erfolg schuldet.

Fazit: Es ist nach wie vor unklar, welche gesetzlichen Regeln im Streitfall auf den Planervertrag Anwendung finden. Mit kluger Vertragsgestaltung kann diesen Unsicherheiten teilweise begegnet werden. Nicht möglich ist zwar eine rechtliche Qualifikation als Auftrag oder Werkvertrag durch die Parteien selbst; denn die rechtliche Qualifikation muss das Gericht von Amtes wegen vornehmen, unabhängig von der falschen oder unpräzisen Bezeichnung des Vertrages durch die Parteien. Zulässig ist jedoch, in den Schranken des Gesetzes Abweichungen von den dispositiven Gesetzesbestimmungen zu vereinbaren. Beispielsweise ist es möglich, einen Werkvertrag ausnahmsweise der jederzeitigen auftragsrechtlichen Kündigungsmöglichkeit nach Art. 404 OR zu unterstellen. Auch ist nicht von der Hand zu weisen, dass bei einer konsequenten Bezug­nahme auf einen Vertragstypus die spätere richterliche Auslegung beeinflusst werden kann.

Für unsere Mandantschaft erstellen wir die nötigen Dokumente für Planerverträge. Die zahlreichen Muster und Allgemeinen Bedingungen auf dem Markt (SIA, KBOB etc.) dienen als Vorlagen, die wir auf die individuellen Bedürfnisse abstimmen.

(Bild: Financial District New York City, Stefan Meichssner, Oktober 2017)

 

Nachbar ohne Abstand und Anstand

Nachbarschaftliche Beziehungen sind bekanntlich nicht immer einfach. Allzu oft entwickeln sich regelrechte Kleinkriege zwischen Nachbarn. In unserem Fall verlangte der Nachbar von unserer Mandantschaft die Entfernung der Thuja-Hecke, welche angeblich sein Eigentum verletzte. Vor der schriftlichen Aufforderung durch die Anwältin war der Nachbar mehrfach ausfällig geworden. Unsere Abklärungen zeigten, dass die Hecke tatsächlich auf, ja zum größten Teil sogar jenseits der Grenze stand. Unsere Mandanten hatten die Hecke aufgrund einer mündlichen Abmachung mit dem Rechtsvorgänger des heutigen Nachbarn so gepflanzt und auch stets alleine gepflegt. An diese Abmachung wollte sich der neue Nachbar jedoch nicht halten.

Wir zeigen der Mandantschaft die maßgeblichen Bestimmungen auf: Für Pflanzen gelten die privatrechtlichen Bestimmungen des aargauischen Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch in §§ 88 ff. EG ZGB. Die Abstandsvorschriften sind kompliziert und hängen von der Art der Pflanze ab (Obstbaum, Zierbaum, Zwergbaum, Strauch etc.). So dürfen Sträucher mit einer Höhe bis 3 m bis 1 m an die Grundstücksgrenze gepflanzt werden und selbstredend die Grenze nicht überwachsen. Gehölze bis 1,80 m Höhe dürfen bis 0,60 m an die Grenze gesetzt werden, was grundsätzlich für Thuja-Hecken gilt.

Die Mandantschaft kann sich für die Zukunft, gleichsam als Ersatz für die entfernte Thuja-Hecke, eine Einfriedung mit einer Holzpalisade oder dergleichen vorstellen. Für diesen Fall sind die verwaltungsrechtlichen Bauvorschriften zu Rate zu ziehen. Die Einfriedung darf höchstens 1,80 m hoch werden, wenn sie direkt an die Grenze gesetzt wird. Soll sie höher werden, ist sie um das Mehrmaß von der Grenze zurückzuversetzen (§ 28 BauV).

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass für Einfriedungen ab einer Höhe von 1,20 m eine Baubewilligung eingeholt werden muss (§ 49 Abs. 2 Bst. a BauV). Sie sind also zulässig, aber genehmigungspflichtig. Dies unterscheidet sie von der üblichen Gartengestaltung, die in der Bauzone grundsätzlich baubewilligungsfrei erfolgen darf.

(Foto: Time Square New York City, Stefan Meichssner, Oktober 2017)