Verein muss nur „Milchbüchleinrechnung“ führen

Verein V., der die Interessen der Bewohner in einer größeren Überbauung wahrnimmt und namentlich das kulturelle Leben fördert, hat seit Jahren mit schwierigen Mitgliedern zu kämpfen. Ein paar ältere Herren tuen sich schwer mit dem Vorstand und schikanieren ihn, wo sie nur können. Ein pensionierter Buchhalter sucht jeweils nach Fehlern in der Jahresrechnung. Unterstützt von einem Anwalt klagen die Mitglieder den Verein ein und verlangen u.a., dass er rückwirkend eine detaillierte Betriebsrechnung für das Betriebslokal erstellt und die Aktiven inventarisiert.

Das Gericht weist die Klage ab und gibt unserem V. recht. Es gibt, so das Gericht, keine gesetzliche und vorliegend auch keine statutarische Pflicht des Vorstands, eine Betriebsrechnung entsprechend den strengen Buchführungs- und Rechnungslegungsvorschriften von Art. 957 ff. OR zu erstellen. Vielmehr muss ein Verein im Sinne der Art. 60 ff. ZGB, der nicht zur Eintragung ins Handelsregister verpflichtet ist, lediglich Buch über Einnahmen und Ausgaben führen (vgl. Art. 957 Abs. 2 OR). Im Rahmen dieser erleichterten Buchführung muss eine geeignete Form der Darstellung von Einnahmen und Ausgaben sowie der Vermögenswerte gefunden werden. Dementsprechend ist auch eine Inventarisierung sämtlicher Aktiven nicht erforderlich – und vorliegend wie bei den meisten Vereinen mit vernünftigem Aufwand auch nicht möglich. Es genügt schweizericher Vereinstradition folgend eine einfache „Milchbüchleinrechnung“.

Strafverteidigung in der digitalen Welt

Am Dreiländerforum Strafverteidigung vom 17./18. Mai 2019 in Solothurn gaben erstklassige Referenten Einblicke in die schier unbegrenzten technischen Möglichkeiten im digitalen Zeitalter.

Eine Schlussfolgerung: Der Strafverteidiger kann sich die Daten, die permanent über jedermann irgendwo gesammelt werden, auch zu Nutzen machen. So fallen Anzeigen wegen Sexualdelikten nicht selten in sich zusammen, wenn man den Chatverlauf der Beteiligten auf den sozialen Medien danach analysiert oder den Vorwurf mit dem vom smarten Handy des „Täters“ aufgezeichneten Ruhepuls abgleicht. Und was ist mit „Alexa“, die im intelligenten Haushalt alles aufzeichnet, Gesichter erkennt, Geräusche analysiert etc.? Stimmen die Fahrzeugdaten (Event Data Recorder), die man extern auswerten kann, mit der Anklage wegen eines SVG-Delikts überein? Warum schaut man nicht mal die zahlreichen Apps (z.B. Verlauf Google Maps) auf dem Handy durch und gleicht deren Daten mit einem vorgeworfenen Sachverwalt ab?

Heikel ist bekanntlich häufig der Anfang eines Strafverfahrens. Wie ein Tatverdacht zustande kommt und Beweise „einfließen“, ist entscheidend. Im digitalen Bereich Manipulationen aufzudecken, ist äußerst schwierig, kann aber gelingen. So kann mitunter der Fernwirkung von Beweisverboten zum Durchbruch verholfen werden (vgl. Art. 141 StPO). Irgendwie erinnert mich die Konstellation an die „operativen Vorgänge“ im Vorfeld von regulären Strafverfahren in der DDR, mit denen das MfS ohne jegliche Kontrolle „Beweise“ beschaffte, die dann plötzlich einfach da waren.

Wie der Nachrichtendienst sicherstellen will, dass er im Rahmen der Kabelaufklärung ausschließlich ausländische Informationen erlangt (vgl. Art. 39 Abs. 2 NDG), bleibt angesichts der Internationalität des Netzes ein Rätsel. Und was ist mit Informationen über Schweizer Sender und Empfänger, die von einem ausländischen Dienst erlangt und an die Schweiz weitergegeben worden sind? Immerhin kann die Beteiligung des Nachrichtendienstes auch dazu führen, dass Strafverfahren bzw. Schuldsprüche wegen fehlender Beweise (z.B. anonyme Zeugen zum Schutz der nationalen Sicherheit) verhindert werden (vgl. „Rütli-Bomber“).

Die Vorführung von IMSI-Catchern scheiterte leider, weil das Bundesamt für Kommunikation die Konzession verweigert hatte. Hinweis: Beim Einsatz von IMSI-Catchern für den Man-in-the-Middle-Angriff wird das Telefon von 4G bzw. 5G in den unverschlüsselten GSM-Modus gezwungen, was erkennbar ist.

Krankentaggelder und IV

Die Taggeldversicherung stellt ihre Leistungen ein, nachdem die Invalidenversicherung (IV) ihre Leistungspflicht mit Vorbescheid verneint hat. Grund ist, dass die IV eine volle medizinisch-theoretische Arbeitsfähigkeit in einer Verweistätigkeit und keine genügende Erwerbseinbuße feststellt.

Die Taggeldversicherung richtet ihre Leistungen wieder aus, nachdem wir sie darauf hingewiesen haben, dass erstens keine Bindungswirkung zwischen dem IV-Entscheid und der Taggeldversicherung bestehe und dass sie sich zweitens nicht voraussetzungslos auf die Schadenminderungspflicht berufen kann.

Die Taggeldzahlungen darf ihre Leistungen nicht einzig mit Verweis auf den negativen IV-Entscheid einstellen. Anders als die IV, welche die Erwerbsunfähigkeit versichert und die medizinisch-theoretische Arbeitsfähigkeit in einer Verweistätigkeit von Anfang an berücksichtigt, ist die Taggeldversicherung an die Arbeitsfähigkeit gebunden, die sich auf die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit bezieht. Das medizinisch-theoretisch zumutbare Belastbarkeitsprofil darf die Taggeldversicherung erst nach langer Dauer der Arbeitsfähigkeit mitberücksichtigen. Die Taggeldversicherung darf sich nicht voraussetzungslos auf die Schadenminderungspflicht des Arbeitnehmers berufen. Sie muss dem Arbeitnehmer zu einem Berufswechsel auffordern und ihm eine angemessene Anpassungszeit einräumen. Dabei muss sie konkret zumutbare Stellen nennen und aufzeigen, dass diese auch tatsächlich verfügbar sind. Anders als die IV darf sie sich dabei nicht auf den ausgeglichenen, sondern muss sich auf den konkreten Arbeitsmarkt beziehen.

Auch nach Vollzug des Berufwechsels, also wenn der Arbeitnehmer eine neue Stelle gefunden hat, erlischt die Leistungspflicht der Taggeldversicherung nicht automatisch. Die Taggeldversicherung muss den Anspruch auf ein sogenanntes Resttaggeld prüfen, wenn der Arbeitnehmer in der neuen Stelle im Vergleich zur ursprünglichen (und versicherten) Stelle weniger verdient. Die höheren Anforderungen an die Schadenminderungspflicht sind unter anderem in der klar definierten und relativ kurzen Leistungsdauer begründet.