Auch Dolmetscher müssen unbefangen sein

In einem Strafverfahren gegen einen Nordafrikaner wegen Vermögensdelikten fungieren wir als notwendige amtliche Verteidigung. In dem durchschnittlichen Fall können sich Mandant und Verteidigung zunächst gut in der gemeinsamen ersten Fremdsprache Französisch unterhalten. Für die zentrale Besprechung bieten wir jedoch eine Arabisch-Dolmetscherin auf, die uns wertvolle Dienste leistet.

Anlässlich der Hauptverhandlung sind wir erstaunt, dass dieselbe Dolmetscherin vom Gericht zur Übersetzung aufgeboten worden ist. Wir stellen daher im Rahmen der Vorfragen (vgl. Art. 339 Abs. 2 StPO) den Antrag, die Dolmetscherin sei wegen Befangenheit auszuwechseln. Wir weisen das Gericht darauf hin, dass es sich bei der Dolmetscherin um „eine in einer Strafbehörde tätige Person“ im Sinne von Art. 56 StPO handle. Weil die Dolmetscherin zuvor aufgrund eines privaten Auftrags der Verteidigung tätig geworden sei und dabei vertrauliche Informationen mitbekommen habe, sei sie für die Hauptverhandlung bei objektiver Betrachtung befangen.

Das Gericht heißt den Antrag gut. Die Hauptverhandlung wird unterbrochen, allerdings nur für eine Stunde, bis ein neuer, unabhängiger Arabisch-Dolmetscher eintrifft. Weil das Gericht die Befangenheit rasch beseitigen kann, entsteht auch kein Problem wegen des drohenden Ablaufs der Sicherheitshaft (vgl. Art. 220 Abs. 2 StPO) mit dem Tag der Hauptverhandlung. Noch rechtzeitig kann die Hauptverhandlung durchgeführt, das Urteil eröffnet und anschließend der Beschuldigte wie erwartet auf freien Fuß gesetzt werden.

Unbegründete UV-Prämienerhöhung verhindert

In der Schweiz wird die Sozialversicherung häufig nicht vom Staat, sondern von privaten Unternehmen vollzogen. So ist es auch in unserem Fall, wo die Mandantin ihre Arbeitnehmenden bei einem großen Versicherer gegen die Risiken von Unfällen und Berufskrankheiten gemäß Unfallversicherungsgesetz (UVG) versichern lässt. Der Vertrag wird von einer Brokerin vermittelt; die Mandantin profitiert aufgrund eines Rahmenvertrages von günstigen Konditionen. Als der Versicherer den Rahmenvertrag kündigt, stellt er sich auf den Standpunkt, die günstigen Konditionen für die einzelnen Versicherungsnehmer würden nun nicht mehr gelten. Er stuft die Mandantin in der Folge auf den nächsten Verfall in einen neuen, höheren Tarif ein, verlangt deutlich höhere Prämien und verweigert gleichzeitig ein Kündigungsrecht.

Wir erheben beim Versicherer Einsprache und gelangen anschließend mit Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht. Dieses heißt die Beschwerde mit Urteil vom 12. April 2018 gut. Die Hauptthematik betrifft die Parallelität von privatem Versicherungsrecht und öffentlichem Sozialversicherungsrecht. Der Versicherer argumentiert fast durchweg aus einer privatrechtlichen Optik, vergisst dabei jedoch die Grundsätze des Verfassungs- und Verwaltungsrechts wie namentlich die Rechtsgleichheit, das Willkürverbot und den Anspruch auf rechtliches Gehör. So kann er keine triftigen Gründe für die Neutarifierung mitten in der Vertragsdauer zu Beginn eines neuen Versicherungsjahres aufzeigen (vgl. Art. 92 Abs. 5 UVG). Weder mathematisch-statistische Erkenntnisse noch sekundäre Risikomerkmale vermag er hinreichend zu begründen, ja er legt nicht einmal die Grundlagen und die Tarife offen, auf die sich seine neuen Prämien stützen. Das führt dazu, dass das Gericht den Einspracheentscheid wegen Verletzung der Begründungspflicht (rechtliches Gehör; Art. 29 Abs. 2 BV) aufhebt.

In zwei identischen Beschwerdeverfahren, die ebenfalls von uns betreut werden,  hat das Bundesverwaltungsgericht inzwischen gleichlautende Urteile gefällt.