Geldstrafe, Buße und Verbindungsbuße

Das Strafrecht kennt zwei monetäre Sanktionen: für Vergehen und Verbrechen die Geldstrafe (nebst der Freiheitsstrafe), für Übertretungen die Buße. Ausnahmsweise können Unternehmen, die Vergehen oder Verbrechen begangen haben, mit einer Buße bestraft werden.

Die Geldstrafe wird anhand einer Anzahl Tagessätze multipliziert mit der Tagessatzhöhe festgesetzt (Tagessatzsystem). Während die Tagessätze das Ausmaß des Verschuldens widerspiegeln, bildet die Tagessatzhöhe die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ab. Die Geldstrafe wird zwischen 3 und 180 Tagessätzen zu 30 bis 3.000 Franken festgesetzt, kann also maximal 540.000 Franken betragen (vgl. Art. 34 StGB).

Bei der Buße demgegenüber wird lediglich eine Summe festgesetzt. Die Höchstbuße beträgt 10.000 Franken; sie wird ebenfalls grundsätzlich nach dem Verschulden festgesetzt (vgl. Art. 106 StGB). Für den Fall, dass die Buße schuldhaft nicht bezahlt wird, kann im Urteil eine Ersatzfreiheitsstrafe bis maximal 3 Monate verhängt werden.

Die eigentlich für Übertretungen vorgesehene Buße kann nun aber neben einer Freiheits- oder Geldstrafe auch bei Vergehen oder Verbrechen verhängt werden, wenn die Hauptstrafe bedingt, d.h. auf Bewährung, ausgesetzt worden ist(vgl. Art. 42 Abs. 4 StGB). Die Praxis setzt solche Verbindungsbußen häufig fest. Zum einen geht es darum, an der Schnittstelle zwischen den stets unbedingten Bußen für Übertretungen und den regelmäßig bedingten Geldstrafen für Vergehen entschärfend einzugreifen. Zum anderen neigen Strafbehörden dazu, wegen der kaum spürbaren bedingten Geldstrafe einen „Denkzettel“ in der Gestalt einer Buße zu verpassen.

In einem aktuellen Fall konnten wir das Gericht davon überzeugen, nebst einer bedingten Geldstrafe entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft keine solche Standard-Verbindungsbuße festzusetzen. Beim geständigen und inzwischen schwer erkrankten Beschuldigten bestehe kein zusätzliches Strafbedürfnis.

Aufenthaltsbewilligung für nicht-erwerbstätige Rentnerin

Unsere Klientin ist eine ältere Frau der christlichen Minderheit aus dem Kosovo. Alle ihre Kinder sind entweder im jugoslawischen Bürgerkrieg getötet worden oder leben im Ausland, zwei Töchter mit ihren Familien in der Schweiz. Da die Frau jeweils während der Maximaldauer ihres Schengen-Visums in der Schweiz weilt und hier insbesondere ihre Enkel betreut, aber im Kosovo keine nahen Angehörigen mehr hat, sind wir beauftragt, für sie eine Aufenthaltsbewilligung zu erwirken.

Rentner können eine Aufenthaltsbewilligung erhalten, wenn sie mindestens 55 Jahre alt, besondere persönliche Beziehungen zur Schweiz besitzen und über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen (vgl. Art. 28 AIG; Art. 25 VZAE).

Die erste und letzte Voraussetzung sind bei unserer Klientin klar erfüllt. Insbesondere verfügen die beiden Kinder in der Schweiz mit ihren Erwerbseinkommen über hinreichende finanzielle Mittel für sich, ihre Familien und die nachzuziehende Mutter. Grundsätzlich müssen die Mittel die Grenze für die Berechtigung zum Bezug von Ergänzungsleistungen übersteigen (vgl. SEM, Weisungen AIG, Ausländerbereich, Stand 01. Oktober 2022, Rz. 5.3). Der Grundbedarf der Klientin reduziert sich, weil sie in der großen Wohnung einer ihrer Töchter leben kann.

Umstritten zwischen dem kantonalen Migrationsamt (MIKA) und uns ist die Voraussetzung der besonderen persönlichen Beziehungen. Wir stützen uns auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts, welches die Auffassung vertritt, dass  persönliche Beziehungen zu nahen Angehörigen in der Schweiz genügten (vgl. WBE.2014.348 vom 08. Juli 2015, E. 3; vgl. die strengere Praxis des SEM und des Bundesverwaltungsgerichts: SEM Weisungen Ausländerbereich, Stand 01. Oktober 2022, Ziff. 5.3, Urteil Bundesverwaltungsgericht F-6645/2019 vom 30. August 2021, E. 4.4). Vorliegend basiert der Bezug der Klientin zur Schweiz fast ausschließlich auf ihren sehr engen verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihren Familienangehörigen in der Schweiz, die alle über ein gefestigtes Aufenthaltsrecht bzw. über die Schweizer Staatsangehörigkeit verfügen und bestens integriert sind. Dies genügt dem Verwaltungsgericht, das schließlich die Beschwerde gutheißt.

Nach Rechtskraft muss das Staatssekretariat für Migration seine Zustimmung erteilen, was aufgrund der divergierenden Rechtsauffassungen nicht selbstverständlich ist (vgl. Art. 99 AIG; Art. 85 f. VZAE; Art. 2 ZV-EJPD).

Hundebiss als Tätlichkeit – ohne Vorsatz nicht strafbar

Angeklagt war unser Mandant wegen fahrlässiger Körperverletzung (vgl. Art. 125 Abs. 1 StGB) und Widerhandlungen gegen das kantonale Hundegesetz (vgl. § 5 Abs. 1 und § 19 Abs. 1 HuG/AG), verurteilt wurde er schließlich nur wegen Widerhandlungen gegen das Hundegesetz. Einer seiner Hunde hatte eine spazierende Frau gebissen, die dadurch angeblich gestürzt sein soll und sich daraufhin in ärztliche Behandlung begeben musste.

Obwohl der Mandant bestritt, an jenem Tag am Tatort gewesen zu sein, sah das Gericht seine Täterschaft als erwiesen. Die Hauptverhandlung fand draußen am Tatort statt. Indessen verneinte es entgegen der Anklage eine einfache Körperverletzung, weil die Verletzungen am Fuß durch den Biss sehr oberflächlich waren,  keine Schürfungen dokumentiert wurden und die Arbeitsunfähigkeit von einem Tag zu kurz war. Damit sei die Schwelle von Art. 125 Abs. 1 StGB objektiv nicht überschritten.

Weil dem Mandanten in der Anklage nur Fahrlässigkeit vorgeworfen wurde, war ein Schuldspruch wegen Tätlichkeit von vornherein nicht möglich (vgl. Art. 126 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 12 Abs. 1 StGB). Anstelle der im angefochtenen Strafbefehl vorgesehenen Geldstrafe von 25 Tagessätzen (für die Körperverletzung) und der Buße von 800 Franken (für das Hundegesetz), muss unser Mandant neu nur noch eine Buße von 600 Franken bezahlen. Das Verfahren hat sich für ihn insofern gelohnt, als für den kleinen Schadenersatz, die Genugtuung, die Parteientschädigung an das Opfer sowie die Gerichtsgühren Versicherungsdeckung besteht.

Mediation als günstige Alternative zum „Scheidungskrieg“

Sie sind verheiratet und wollen sich trennen bzw. scheiden, wissen aber nicht, welche Möglichkeiten Sie haben? Oder Sie sind nicht verheiratet, haben aber gemeinsame Kinder und wissen nicht, was es zu regeln gilt? Für Sie ist aber klar, dass Sie eine faire und für Sie maßgeschneiderte Lösung finden möchten, ohne sich in Streitereien zu verlieren?

Dann bietet sich die gemeinsame Erarbeitung einer Trennungsvereinbarung, einer Scheidungskonvention oder einer Unterhaltsregelung an. Mithilfe einer ausgebildeten Mediatorin werden Sie die mit der Trennung einhergehenden Konfliktthemen konstruktiv bearbeiten und eine rechtlich verbindliche, auf Sie und Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Lösung erarbeiten.

Bei der Mediation geht es nicht etwa um Paartherapie. Es geht darum, in einem strukturieren Verfahren die gemeinsamen Konfliktthemen zu bearbeiten, dabei den Dialog zwischen den Parteien zu verbessern und schließlich die Konfliktparteien darin zu unterstützen, die für sie richtige und rechtlich umsetzbare Lösung zu finden.

Der Weg über die Mediation mit einer gemeinsam ausgewählten Mediatorin ist oft kostengünstiger als die Verhandlungen über je eigene Anwälte. Wer welche Kosten tragen soll, ist Teil der Mediation. Zudem bezahlen mittlerweile viele Rechtsschutzversicherungen die Kosten für die Erarbeitung einer Trennungs- oder Unterhaltsvereinbarung bzw. einer Scheidungskonvention durch eine Mediatorin, obwohl familienrechtliche Streitigkeiten sonst nicht gedeckt sind.

Auch Gerichte haben angefangen, vom in der Zivilprozessordnung verankerten Instrument der Mediation zu nutzen (vgl. Art. 213 ff. ZPO) und den Prozessparteien während eines hängigen Verfahrens eine Mediation zu empfehlen oder sie dazu aufzufordern (vgl. Art. 214 Abs. 2 ZGB). Dabei kann in kindesrechtlichen Angelegenheiten auch ein Antrag auf unentgeltliche Rechtspflege gestellt werden (vgl. Art. 218 ZPO).

Klingt das für Sie nach dem richtigen Weg, melden Sie sich unverbindlich. Meichssner Rechtsanwälte bietet Mediationen an – auch und gerade im Familienrecht. Hier gilt unser Motto »Wir regeln das» im Sinne von «Wir helfen Ihnen, das eigenverantwortlich zu regeln».

Leidensabzug in der Invalidenversicherung aufgegeben

Bei der Ermittlung des Invalideneinkommens verwendet die Invalidenversicherung (IV) Tabellenlöhne, wenn die versicherte Person kein effektives Erwerbseinkommen mehr erzielt.

Bis vor Kurzem bezweckte dabei der sogenannte leidensbedingte Abzug (auch Leidensabzug, Behinderungsabzug oder behinderungsbedingter Abzug genannt), die Tabellenlöhne für Personen zu korrigieren, die ihre gesundheitlich bedingte Restarbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlich erwerblichem Erfolg verwerten können. Abzugsrechtlich relevant waren alle Einschränkungen, die zusätzlich zur medizinisch attestierten Arbeitsfähigkeit vorhanden sind (vgl. Bundesgericht, Urteil 9C_325/2013 E. 4.2; 9C_436/2011 E. 3.3).

Die Rechtsprechung definierte die einkommens­beein­flussenden Kriterien wie Lebensalter, Anzahl Dienstjahre, Nationalität/Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad. Der Abzug sollte nicht standardmäßig erfolgen und maximal 25% betragen. Die Rechtsprechung dazu war schwer zu überblicken. Die IV-Stellen verneinten regelmäßig den in ihrem Ermessen festzulegenden Abzug mit der Begründung, die Einschränkungen seien bereits im medizinisch zumutbaren Belastbarkeitsprofil enthalten. Eine gerichtliche Korrektur scheiterte oft an der Kognition (Überprüfungsumfang) der Versicherungsgerichte, da diese nicht ohne Not von der Ermessensausübung der Verwaltung abweichen, und die Kognition des Bundesgerichts war auf Willkürprüfung beschränkt.

Mit der Weiterentwicklung der IV, in Kraft seit 01. Januar 2022, wird der Leidensabzug aufgegeben und durch neue Korrekturfaktoren ersetzt. Neu wird von funktioneller Leistungsfähigkeit (vgl. Art. 54a Abs. 3 IVG; Art. 49 Abs. 1bis IVV) gesprochen und ein Teilzeitabzug gewährt (vgl. Art. 26bis Abs. 3 IVV).

Bei der Festsetzung der funktionellen Leistungsfähigkeit ist die medizinisch attestierte Arbeitsfähigkeit in der bisherigen Tätigkeit und für angepasste Tätigkeiten unter Berücksichtigung sämtlicher physischen, psychischen und geistigen Ressourcen und Einschränkungen in qualitativer und quantitativer Hinsicht zu beurteilen und zu begründen. Mit dem neuen Regime sollen nun jegliche durch die Invalidität bedingte quantitative und qualitative Einschränkungen bei der Ausübung einer Erwerbstätigkeit (z.B. erhöhter Pausenbedarf, Belastungslimiten, Verlangsamungen, etc.) berücksichtigt sein. Die ärztlich festgestellte funktionelle Leistungsfähigkeit wird künftig wohl eher tiefer ausfallen, als das bisher der Fall war. Eine Beschränkung auf 25%, wie das beim Leidensabzug der Fall war, fällt weg.

Kann die versicherte Person aufgrund ihrer Invalidität nur noch mit einer funktionellen Leistungsfähigkeit von 50 % oder weniger tätig sein, werden vom statistisch bestimmten Wert 10 % für Teilzeitarbeit abgezogen.

Die Abzüge fallen nicht mehr ins Ermessen der IV-Stelle und können nun leichter gerichtlich überprüft werden.

 

Muss ich des Nachbarn Abwasserleitung instand halten?

Nach den gewässerschutzrechtlichen Bestimmungen ist der „Inhaber“ einer Leitung zu deren sachgerechter Erstellung und Unterhalt verpflichtet, damit die Leitung keine Gefahr für das Grundwasser und die Umwelt darstellt (vgl. Art. 15 GschG). Vernachlässigt er diese Pflicht, kann an seiner Stelle das Gemeinwesen Zwangsmaßnahmen anordnen oder bei unmittelbarer Gefahr auch Ersatzmaßnahmen vornehmen und anschließend die Kosten auf den Inhaber überwälzen (vgl. Art. 53 f. GschG).

Ein Hauseigentümer gelangt an uns, weil er befürchtet, dass er die Reparatur der lecken Abwasserleitung berappen muss, die vom Nachbargrundstück über sein Grundstück in die Sammelabwasserleitung auf der Straße gelegt ist. Wir klären ab und gehen davon aus, dass Leitung zivilrechtlich dem Nachbarn gehört, weil sie von seinem Grundstück ausgeht und ihm dient (vgl. Art. 676 ZGB). Außerdem besteht ein Notleitungsrecht (vgl. Art. 691 ZGB) und dementsprechend ein Anspruch des Nachbarn, die Leitung im Grundbuch als Dienstbarkeit einzutragen. Damit ist der Nachbar grundsätzlich selbst für seine Leitung verantwortlich.

Allerdings besteht das Risiko, dass bei Passivität des Nachbarn unser Hauseigentümer von der Gemeinde als „Inhaber“ im gewässerschutzrechtlichen Sinne aufgefasst bzw. als Störer betrachtet wird. Selbst wenn er völlig schuldlos ist, kann er als Zustandsstörer mit tatsächlicher Herrschaft über die Leitung auf seinem Grundstück aufgefasst werden; dadurch riskiert er, am Schluss einen Teil der Kosten für die Ersatzvornahme betreffend die fremde Leitung übernehmen zu müssen. Nach aargauischer Praxis können 20 Prozent der Kosten auf ihn überwälzt werden (vgl. AGVE 2006 Nr. 98).

Wenn Klienten „gestohlen“ werden

Für die Aufklärung und Ahndung von Straftaten sind grundsätzlich die Strafbehörden am Ort zuständig, an dem die mutmaßliche Tat verübt wurde oder an dem der Erfolg eingetreten ist. So sind also schweizerische Behörden sowohl zuständig, wenn jemand in der Schweiz erschossen wird, als auch dann, wenn jemand in der Schweiz aufgrund eines jenseits der Grenze abgefeuerten Schusses angeschossen wird. Hat jemand eine Straftat an mehreren Orten verübt oder gibt es mehrere Erfolgsorte, sind im Binnenverhältnis die Strafbehörden „des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind“ (vgl. Art. 31 StPO).

Hat jemand mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, liegt die Zuständigkeit bei den Strafbehörden am Ort der schwersten Tat. Bei gleicher Strafdrohung, also für ungefähr „gleiche“ Delikte, sind die Strafbehörden des Ortes zuständig, „an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind“. Dazu genügt es praxisgemäß, dass die Polizei eine Anzeige entgegengenommen oder am Tatort einen Rapport erstellt hat (sog. forum praeventionis; vgl. Art. 34 StPO).

In unserem Fall stellt sich nach Eröffnung der Untersuchung für einen Einbruchdiebstahl heraus, dass der Beschuldigte in einem anderen Kanton mutmaßlich gleichgelagerte Delikte begangen hat und die dortigen Strafverfolgungsbehörden bereits zuvor mit den Ermittlungen begonnen hatten. So erlässt die zeitlich zuletzt involvierte Staatsanwaltschaft in Absprache mit der ersten eine Übernahmeverfügung, die bei Fehlerhaftigkeit beim Bundesstrafgericht angefochten werden könnte (vgl. Art. 40 f. StPO). Und der Beschuldigte, unser Klient, für den wir als amtliche Verteidigung eingesetzt worden sind, ist weg.

Bei einer Gerichtsstandsänderung wird das amtliche Mandat widerrufen. Eine Weiterführung in der Form einer Neueinsetzung durch den neuen Kanton ist möglich, wurde vorliegend jedoch schon wegen der Entfernung nicht in Betracht gezogen und hätte wohl auch noch nicht mit einem besonderen Vertrauensverhältnis begründet werden können (vgl. SSK, Empfehlungen zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit
[Gerichtsstandsempfehlungen], Ziff. 24).

Zivil- oder Verwaltungsgerichtsbarkeit?

In einem Streit zwischen der Swissgrid AG als Netzbetreiberin und zwei Stromerzeuger hatte das Handelsgericht als Vorinstanz gestützt auf Art. 5 Abs. 5 StromVV seine Zuständigkeit in einem Zwischenentscheid teilweise bejaht. Streitigkeiten der Netzbetreiberin Swissgrid AG mit Energieerzeugern betreffend Vereinbarungen im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Gewährleistung der Netzstabilität würden gemäß dieser speziellen Norm der Zivilgerichtsbarkeit unterliegen.

Auf Beschwerde der Swissgrid AG hin hebt das Bundesgericht diesen Zwischenentscheid mit Urteilen vom 11. Januar 2022 auf (4A_275/2021 bzw. 4A_283/2021, zur Publikation vorgesehen). Auf das Rechtsbegehren sei nicht einzutreten, weil es auf dem Verwaltungsweg zu beurteilen sei.

Das Bundesgericht kommt in einem ersten Schritt in Erwägung 3 zum Ergebnis, die Änderung der verfassungs- und gesetzesrechtlich geregelten Zuständigkeiten (vgl. Art. 164 BV, Art. 182 BV, Art. 30 StromVG), insbesondere die ausnahmsweise Unterstellung von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten unter die Zivilgerichtsbarkeit, bedürfe einer Grundlage im formellen Gesetz; Art. 5 Abs. 5 StromVV als Verordnungsbestimme genüge nicht.

In einem zweiten Schritt kommt das Bundesgericht in Erwägung 4 mittels Auslegung zum Schluss, die Vereinbarung sei öffentlich-rechtlicher Natur. Namentlich nach der Interessentheorie, wonach das öffentliche Recht die Wahrung öffentlicher Interessen bezweckt, und nach der Funktionstheorie, wonach bei der Besorgung von Verwaltungsaufgaben das öffentliche Recht gilt, diene die Vereinbarung der Gewährleistung des schweizerischen Übertragungsnetzes und sei daher dem öffentlichen Recht zuzuordnen.

Arbeitslosen- oder Invalidenversicherung?

Die Abgrenzung zwischen den Ansprüchen verschiedener Sozialversicherungen ist komplex und für die Betroffenen oft schwer zu durchschauen. Dafür sind wir da. Wir regeln das für Sie.

Meldet sich jemand wegen eines Gesundheitsschadens bei der Invalidenversicherung (IV), steht ihm bzw. ihr ein langes Abklärungsverfahren bevor. Die IV prüft, ob und wie sich die gesundheitliche Beeinträchtigung auf die funktionelle Leistungsfähigkeit und letztlich auf die Erwerbsfähigkeit auswirkt. Das Abklärungsverfahren kann mehrere Monate bis Jahre dauern.

Verliert die bei der IV angemeldete Person (z.B. nach Ablauf der Sperrfrist, vgl. Art. 336c OR) ihre Arbeitsstelle, kann sie sich bei der Arbeitslosenversicherung (ALV) anmelden. Die ALV prüft dann, ob die Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind, namentlich ob die Rahmenfristen eingehalten sind (vgl. Art. 8 f. AVIG) und ob die Person vermittlungsfähig ist. Vermittlungsfähig ist, wer bereit, in der Lage und berechtigt ist, eine zumutbare Arbeit anzunehmen (vgl. Art. 8 bzw. 15 AVIG). Teilt die Person der ALV mit, im Rahmen des medizinisch Zumutbaren Arbeit suchen zu wollen, schliesst die Arbeitslosenversicherung nicht selten auf eine reduzierte Vermittlungsfähigkeit. Setzt man sich dagegen nicht zur Wehr, zahlt die ALV nur reduzierte, der ärztlichen Arbeitsfähigkeitsbeurteilung entsprechende Taggelder aus oder verweigert sie ganz.

Damit missachtet die ALV jedoch die Koordinationsregeln zwischen der IV und der ALV. Denn ist ein Behinderter, unter der Annahme einer ausgeglichenen Arbeitsmarktlage, nicht offensichtlich vermittlungsunfähig und hat er sich bei der IV angemeldet, so gilt er bis zum Entscheid der IV als vermittlungsfähig. Die Beurteilung seiner Arbeits- oder Erwerbsfähigkeit durch die Invalidenversicherung wird dadurch nicht berührt (vgl. Art. 15 Abs. 3 AVIV).

Ganz generell gilt: Ist unklar, welche Versicherung für einen Versicherungsfall Leistungen zu erbringen hat, ist die Arbeitslosenversicherung gegenüber der Invalidenversicherung (und auch gegenüber der Krankenversicherung, der Militärversicherung und der Unfallversicherung) vorleistungspflichtig (vgl. Art. 70 Abs. 2 lit. b ATSG).

Befangener Gutachter einer hörbehinderten Versicherten

Nach Abschluss der Eingliederungsmaßnahmen liess die IV-Stelle unsere Mandantin psychiatrisch gutachterlich abklären. Nach Vorliegen des Gutachtens übten wir daran Kritik, weil der Gutachter unsere Mandantin gar nicht richtig verstanden hatte und mit ihrer schweren Hörbehinderung nicht adäquat umzugehen wusste. Eine korrekte und auf Vertrauen basierende Begutachtung lege artis sei nicht möglich gewesen, weshalb das Gutachten unbrauchbar sei.

Auf unsere Beschwerde gegen die Verfügung, welche die Rentenberechtigung verneint, kommt das Versicherungsgericht mit Urteil vom 4. Mai 2021 (VBE.2020.453 in den AGVE) zum Schluss, dass der Gutachter befangen gewesen sei. Es habe keine entspannte Atmosphäre geherrscht und auf die Schallempfindlichkeit der Versicherten sei nicht Rücksicht genommen worden. Das Gutachten erfülle damit die gesetzlichen Anforderungen nicht. Der Gutachter erwecke den Anschein der Befangenheit. Das Gutachten taugt somit nicht als Grundlage für die Renteneinstellung und die IV-Stelle muss die Angelegenheit erneut prüfen.

Inzwischen erhält unsere Mandantin die Rente.