Hartnäckig hält sich das Gerücht, eine geschiedene Frau müsse nach 45 nicht mehr arbeiten gehen. Bei der Scheidung müsse daher der Mann für ihren Unterhalt weiterhin aufkommen. Abgesehen davon, dass für geschlechtsspezifische Differenzierungen von vornherein kein Raum besteht, muss nach der Scheidung nach dem Grundsatz der Eigenversorgung ein jeder Ehegatte für seinen gebührenden Unterhalt selbst aufkommen, soweit dies möglich und zumutbar ist (Art. 125 ZGB). Nachehelicher Unterhalt stellt somit nach der Intention des Gesetzgebers die Ausnahme dar.
In unserem Fall findet die Scheidung erst im fortgeschrittenen Alter der Ehegatten statt, nachdem die Kinder ausgeflogen sind und sich beim Ehemann bereits die frühzeitige Pensionierung abzeichnet. Die erste Instanz holt zur Arbeitsfähigkeit der Ehefrau, welche beträchtlichen Unterhalt für sich verlangt, beim Amtsarzt einen Kurzbericht ein. Dieser attestiert der Ehefrau, dass sie ihren gelernten Beruf als Coiffeuse wegen Gelenkschmerzen und fehlender adäquater Behandlung nur noch zu 50% ausüben könne; doch in einer angepassten Tätigkeit sei die Ehefrau zu 100% arbeitsfähig. Sie habe sich auch nie bei der Invalidenversicherung angemeldet, ja nicht einmal Gedanken über diese Option gemacht. Dennoch rechnet die erste Instanz der Ehefrau lediglich das tiefe hypothetische Einkommen basierend auf einer 50%-Arbeitsfähigkeit an, welches im früheren Eheschutzverfahren vom Obergericht als Basis genommen worden war. Dementsprechend verpflichtet die erste Instanz den Ehemann zu relativ hohen monatlichen Unterhaltsbeträgen an die Ehefrau.
Auf unsere Berufung hin (Art. 308 ff. ZPO) reduziert das Obergericht des Kantons Aargau als zweite Instanz die Unterhaltsbeiträge beträchtlich. Auch beschränkt es die Unterhaltsbeträge zeitlich bis zur Pensionierung des Ehemannes. Gegen das Obergerichtsurteil reicht nun wiederum die Ehefrau Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht ein (Art. 72 ff. BGG).
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab und stützt mit seiner Entscheidung vom 27. Januar 2017 (5A_319/2016) das obergerichtliche Urteil. Interessant ist die Erwägung, wonach sich die erwähnte Alterslimite von 45 Jahren „seit je“ nur auf den Fall bezog, wo der andere Ehegatte während der Ehe überhaupt nicht erwerbstätig war; Teilerwerbstätigkeit hingegen sei regelmäßig nach der Scheidung auszudehnen (Erwägung 4.2). Vorliegend wird der Ehefrau u.a. zum Verhängnis, dass sie den Kurzbericht zu spät kritisiert und es versäumt hat, ein Obergutachten zu verlangen. Unter diesen Umständen gehe ihre inhaltliche Kritik an dem Arztbericht ins Leere (Erwägung 3.1). Das Bundesgericht stützt die Annahmen des Obergerichts, welches das hypothetische Einkommen für die in Frage kommenden Tätigkeiten der Ehefrau konkret auf CHF 3.500,– festsetzt (Erwägung 3.4). Schließlich verweist das Bundesgericht auf seine konstante Praxis, nach der die Unterhaltspflicht grundsätzlich mit Erreichen des AHV-Alters des Unterhaltsschuldners erlösche, weil sich die finanziellen Mittel mit der Pensionierung reduzieren und der Lebensstandard nicht gehalten werden könne (Erwägung 5).
(Bild: Stefan Meichssner, Seebrücke von Ahlbeck, Usedom)