Gefährdung des Lebens bei Würgen

Neben den Verletzungs- und den Tötungstatbeständen kennt das Strafrecht die Gefährdung des Lebens (Art. 129 StGB).

In unserem Fall hatte der Mann seine Partnerin zugegebenermaßen 2 bis 3 Sekunden mit einer Hand gewürgt. Danach konnten keine Hämatome, jedoch Stauungsblutungen festgestellt werden. Die Forensikerin, die die Verletzungen der Frau bereits im Vorverfahren untersucht hatte, gab vor Gericht an, auch stumpfe Gewalt, z.B. die ebenfalls unbestrittenen Schläge und Ohrfeigen, könne als Ursache für die Stauungsblutungen nicht ausgeschlossen werden. Das Gericht verneint mit uns die angeklagte Gefährdung des Lebens schon deshalb. Aber auch weil der Mann keinen direkten Vorsatz hinsichtlich der Lebensgefahr gehabt habe, erkennt es antragsgemäß einzig auf leichte Körperverletzung (Art. 123 StGB).

Bei der Gefährdung des Lebens muss objektiv eine unmittelbare Lebensgefahr als Taterfolg resultieren. Dabei muss der Tod nicht unausweichlich, jedoch als nahe Möglichkeit erscheinen. Auch wenn die äußerlichen Verletzungen nicht schwer sein müssen, ist insbesondere bei Würgevorgängen ein gewisses Maß an Gewalt vorausgesetzt, d.h. die Einwirkung muss von einer solchen Intensität sein, dass punktförmige Stauungsblutungen primär an den Augenbindehäuten oder Symptome eines Atemstillstandes mit Bewusstseinsstörung (Asphyxie) als handfeste Befunde für eine Hirndurchblutungsstörung auftreten. Stauungsblutungen treten nach wissenschaftlichen Erkenntnissen grundsätzlich nach frühestens 10 bis 20 Sekunden zu Tage.

Subjektiv verlangt die Gefährdung des Lebens einen dolus directus in Bezug auf die unmittelbare Lebensgefahr, d.h. diese darf der Täter nicht bloß in Kauf nehmen, sondern muss sie als Erfolg anstreben. Zusätzlich muss der Täter skrupellos handeln; je nichtiger und unverhältnismäßiger die Lebensgefahr erscheint, umso eher kann daraus eine Geringschätzung des Lebens abgeleitet werden. Skrupellosigkeit ist ein in schwerem Grad vorwerfbares, rücksichts- oder hemmungsloses Verhalten, das nicht zu rechtfertigen ist (und unverständlich erscheint). Auch daran scheitert in unserem Fall eine Verurteilung, nachdem die Parteien in einen Streit geraten sind und der Täter provoziert worden ist (vgl. BGE 133 IV 1, E. 5.1; BGer Urteil 6B_1258/2020 vom 12.11.2021).