Haftung für falsche behördliche Auskunft

Unser Mandant verkaufte im Jahr 2013 eine große Parzelle am Siedlungsrand. Die Käuferin verlangte von ihm die schriftliche Zusicherung im Kaufvertrag, wonach es sich bei der Parzelle um ein «voll erschlossenes Baugrundstück» handle und «keine Erschließungskosten mehr zu bezahlen sind». Der Mandant war zu dieser Zusicherung bereit, nachdem er und die Gemeinde seit langem von der vollständigen Erschießung Ausgegangen waren. Zudem hatte ihm der zuständige Gemeinderat in einer mündlichen Unterredung aus­drücklich zugesichert, dass das Gebiet erschlossen sei. Im Rahmen des anschließenden Baubewilligungsverfahrens urteilte nun allerdings die Beschwerdeinstanz, dass die Parzelle ungenügend erschlossen sei; insbesondere die Zufahrtsstraße sei zu schmal. Die Käuferin rügte beim Mandanten prompt, die gekaufte Parzelle sei mangelhaft und es fehle ihr die zugesicherte Eigenschaft der Erschließung. Nach langwierigen Verhandlungen konnten sich die Parteien einigen, dass der seinerzeitige Verkäufer der Käuferin die provisorisch festgelegten Erschließungskosten bezahlt und somit letztlich einen Teil des Kaufpreises zurückzahlt (ca. 7%). Parallel dazu versuchten wir, diese Kosten von der Gemeinde zurückzufordern. Als Anspruchsgrundlage kam eine Haftung wegen falscher Auskunft gestützt auf den verfassungsmäßigen Vertrauensschutz in Art. 9 BV. Unter folgenden Voraussetzungen ist das Vertrauen des Bürgers in eine falsche, d.h. gesetzeswidrige Auskunft einer Behörde geschützt: inhaltlich genügend bestimmte falsche Auskunft als Vertrauensgrundlage; Zuständigkeit der auskunftserteilenden Behörde; Vorbehaltlosigkeit der Auskunft; fehlende Erkennbarkeit der Unrichtigkeit und folglich Gutgläubigkeit des Anfragers; nachteilige Disposition aufgrund der falschen Auskunft; keine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage; überwiegendes Interesse am Schutz des Vertrauens gegenüber dem öffentlichen Interesse ab der richtigen Rechtsanwendung. Nachdem der Gemeinderat vorliegend unumwunden zugibt, eine falsche Auskunft erteilt zu haben, streiten die Parteien letztlich noch über die «nachteilige Disposition». Denn die Versicherung der Gemeinde trägt vor, unserem Mandanten sei gar kein Schaden entstanden. Er habe das Grundstück 2013 zu teuer verkauft und jetzt einfach die fehlende Erschließung nachträglich berappen müssen. Klar ist allen, dass eine eigentliche Bindung der Gemeinde an die Vertrauensgrundlage nicht in Frage kommt, d.h. das Grundstück muss ungeachtet der falschen Auskunft nachträglich korrekt erschlossen werden. Somit geht es noch um die Frage der nutzlosen Aufwendungen unseres Mandanten. In Frage kommt vorliegend nicht eine eigentliche Staatshaftung, sondern Vertrauenshaftung für rechtmäßiges staatliches Handeln. Zu ersetzen ist wohl nur der Schaden im Sinne des negativen Interesses, d.h. der Mandant ist so zu stellen, als ob die falsche Auskunft nie erteilt worden wäre. Zu Ende gedacht, hätte der Mandant selbst das Grundstück erschließen müssen und danach denselben Kaufpreis wie 2013 erhalten (zeitliche Dauer, Inflation etc. ausgeblendet). Letztlich hatte der Mandant also gar keine nutzlosen Aufwände wegen der falschen Auskunft, außer die Bemühungen des Anwalts wegen der Mängelrüge und zur Regulierung. Genau diese Kosten ist die Versicherung der Gemeinde bereit zu tragen (vgl. dazu Bundesgerichtsurteil 2C_960/2013).

Baubewilligung zwei Jahre gültig

Eine Baubewilligung ist eine Polizeierlaubnis, die auf Gesuch hin die aus polizeilichen Gründen (Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Gesundheit, Sittlichkeit etc.) bewilligungspflichtige Tätigkeit Bauen von Immobilien zulässt, weil die zum Schutz der Polizeigüter aufgestellten gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Baubewilligungspflicht ergibt sich schon aus dem Bundesrecht und ist im Wesentlichen in einem kantonalen Verfahren geregelt (vgl. Art. 22 RPG und §§ 59 BauG/AG).

In unserem Fall erhielt die Bauherrschaft vor rund vier Jahren eine Baubewilligung für den Rückbau eines bestehenden Hauses und einen entsprechenden Neubau. Die Baubewilligung enthielt ausdrücklich die gesetzliche Bestimmung von § 65 Abs. 1 BauG/AG, wonach sie während zweier Jahre ab Rechtskraft gültig ist.

Ergreift die Bauherrschaft während der Gültigkeitsdauer keinerlei bauliche Maßnahmen, verwirkt die Baubewilligung. Die Verwirkung tritt unabhängig von der Passivität der Bauherrschaft ein. Als baubeginnende Arbeiten gelten solche, aus denen der ernsthafte Wille hervorgeht, die Baute ohne Verzögerung zu Ende zu führen; in der Regel sind größere Aushubarbeiten erforderlich. Hingegen werden das Aufräumen des Baugrundstücks oder das Aufstellen von Baubaracken als bloße Vorbereitungshandlungen betrachtet, welche die Verwirkungsfrist der erteilten Baubewilligung nicht unterbrechen.

Vorliegend hat die Bauherrschaft bislang keinerlei bauliche Maßnahmen ergriffen; deshalb ist die Baubewilligung verwirkt. Der Bauherrschaft bleibt folglich nichts anderes übrig, als ein neues Baugesuch einzureichen, welches die heute geltenden Bauvorschriften beachten muss. Aus dem Umstand, dass die alte Baubewilligung noch eine bessere Ausnützung zugelassen hat, kann die Bauherrschaft nichts für das neue Baugesuch ableiten. Es liegt weder ein Anwendungsfall des Vertrauensschutzes noch ein übergangsrechtlicher Tatbestand vor.

Die Frage der Bauherrschaft, ob sie mit einem neuen, vergleichbaren Baugesuch Anspruch auf das vereinfachte Verfahren habe, müssen wir klar mit Nein beantworten. Das vereinfachte Verfahren nach § 61 BauG/AG ist nur für kleine Bauprojekte vorgesehen, die weder die Nachbarn tangieren noch öffentliche Interessen beeinträchtigen.

(Bild: Landmannalaugar, Island, Stefan Meichsser, August 2017)