Wer nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um nebst seinen Unterhalt auch noch einen Prozess zu finanzieren, erhält auf Gesuch hin unentgeltlichen Zugang zum Verfahren, sofern seine Position nicht von vornherein aussichtslos erscheint. Kann er überdies seine Interessen selbst nicht wahren, hat er Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand (vgl. Art. 29 Abs. 3 BV; Art. 117 ff. ZPO).
Doch oft wird übersehen, dass die „unentgeltliche“ Rechtspflege grundsätzlich keinen definitiven Kostenerlass beinhaltet. Ausnahmen gibt es z.B. im Sozialversicherungsverfahren (vgl. Art. 37 Abs. 4 ATSG für die unentgeltliche Rechtsverbeiständung, weil der Verweis aufs VwVG nicht gilt: BGE 144 V 97 ff.), bei der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung für Opfer von Straftaten (vgl. Art. 30 Abs. 3 OHG) oder im Bundesverwaltungsverfahren für die Gerichtskosten, nicht jedoch für die unentgeltliche Rechtsverbeiständung (Art. 65 Abs. 4 VwVG). Insbesondere wer „gratis“ Zivilverfahren wie Scheidungen oder Forderungsprozesse führt, muss die Nachzahlungspflicht beachten: Gelangt er oder sie nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss zu genügenden finanziellen Mitteln, muss er oder sie die seinerzeit einstweilen auf die Staatskasse genommenen Gebühren und Anwaltskosten zurückbezahlen. Die Nachzahlungspflicht verjährt erst nach 10 Jahren (vgl. Art. 123 ZPO).
In unserem Fall konnten wir für unseren Klienten, der uns erst nach Vorliegen des letztinstanzlichen kantonalen Urteils engagiert hat, die Nachzahlungspflicht nicht mehr abwenden. Obwohl im Verfahren Vieles merkwürdig gelaufen war, das Obergericht z.B. die Berufung als Beschwerde behandelt hatte, und die Vorinstanzen die finanziellen Verhältnisse realitätsfremd eingeschätzt hatte, wies das Bundesgericht die Beschwerde ab. Nachzahlungsforderungen nach Art. 123 ZPO sind öffentlich-rechtliche Forderungen und entsprechend war – entgegen der falschen Rechtsmittelbelehrung des Obergerichts – die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zu ergreifen (vgl. Art. 82 ff. BGG). Mehrere interessante Fragen, die wir aufgeworfen hatten, konnten aus prozessualen Gründen höchstrichterlich nicht beantwortet werden, so z.B. die Tragweite der Mitwirkungspflicht im Nachzahlungsverfahren (vgl. BGer 2C_412/2022 vom 07. Dezember 2022).