Verwarnung nach Verkehrsunfall

Unser Klient verursacht durch eine kurze Unachtsamkeit einen kleinen Unfall. Er fährt im stockenden Kolonnenverkehr eine ältere Frau an, die mit ihrem elektrischen Rollstuhl am rechten Fahrbahnrand unterwegs ist und in der Folge stürzt.

Strafrechtlich wird er mit einem Strafbefehl wegen Nichtbeherrschens des Fahrzeuges (mangelnde Aufmerksamkeit; vgl. Art. 31 Abs. 1 und Art. 90 Abs. 1 SVG) mit einer Buße bestraft.

Seine Befürchtung, dass er zusätzlich im Rahmen einer sog. Administrativmaßnahme durch das Strassenverkehrsamt den Führerschein für eine gewisse Zeit verliert, können wir zerstreuen bzw. zerstreut das Amt durch entsprechende Mitteilung selbst.

Bei dem Unfall handelt es sich um eine leichte Widerhandlung gegen das Straßenverkehrsgesetz im Sinne von Art. 16a Abs. 1 Bst. a SVG, weil der Klient in der konkreten Situation nur eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorgerufen hat und ihn zudem nur ein geringes Verschulden trifft. Eine kurze Unaufmerksamkeit stellt regelmäßig ein leichtes Verschulden dar. Schwieriger ist im Einzelfall die Einschätzung der geringen Gefahr, bei der es sich um eine sog. erhöhte abstrakte Gefährdung handeln muss, die sich hier aber eben in einem, wenn auch kleinen, Unfall konkret verwirklicht hat.

Für die Sanktion bei einer leichten Widerhandlung ist der automobilistische Leumund entscheidend. Weil unser Klient noch keine Administrativmaßnahme hatte, wird er lediglich verwarnt. Hätte er hingegen in den letzten zwei Jahren bereits eine Administrativmaßnahme gehabt, würde ihm der Führerschein für die Mindestdauer von einem Monat entzogen werden (Art. 16a Abs. 2 f. SVG).

Mann in Schacht überfahren: fahrlässige Tötung?

In einem tragischen Verkehrsunfall kommt ein Bauarbeiter ums Leben, als er in einem offenen Schacht Messungen vornimmt. Unsere Mandantin übersieht in der ihr bestens bekannten Quartierstraße sowohl den offenen Schacht als auch den Mann, der gemäß forensischen Erkenntnissen beim Aufprall ca. 40 – 60 cm über die Straßenfläche herausschaut. Sie vernimmt ein Rumpeln, fährt rückwärts und sieht nach ihren Angaben nichts Außergewöhnliches. Daher fährt sie weiter, ohne sich um das Opfer zu kümmern.

Nach einem umfangreichen Vorverfahren mit Tatrekonstruktion und Visualisierung erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage wegen fahrlässiger Tötung (Art. 117 StGB) und qualifizierter Führerflucht (Art. 92 Abs. 2 SVG). Wir sind der Auffassung, dass der Kausalverlauf und der Tod eines Menschen für die Lenkerin nicht vorhersehbar gewesen ist. Außerdem hat sie an der anspruchsvollen Kreuzung mit starker Neigung und Unübersichtlichkeit nichts falsch gemacht, erst recht nicht, weil die kleine Baustelle überhaupt nicht gesichert oder gekennzeichnet war. Und wenn nicht erwiesen ist, ob der Mann für die Beschuldigte überhaupt irgendwann sichtbar war, hätte sie den Unfall nicht verhindern können.

Das Gericht sieht es anders und verurteilt die Lenker zu 12 Monaten Freiheitsstrafen auf Bewährung. Überdies muss sie der Witwe des Mannes eine Genugtuung bezahlen. Die Lenkerin akzeptiert das erstinstanzliche Urteil.

Über den Fall berichteten die Zeitung und das Lokalfernsehen.

Rotlicht überfahren als mittelschwere Widerhandlung

A. ist ein vorsichtiger Autofahrer. An einem schönen Sommerabend wird er an einer ihm unbekannten Kreuzung von der tief stehenden Sonne geblendet, so dass er das Lichtsignal nicht wahrnimmt und schon gar nicht erkennt, dass die Ampel auf rot steht. Weil er sich aber bewusst ist, dass er sich auf einer Kreuzung befindet, befährt er diese äußerst vorsichtig. Dennoch kommt es zu einem kleinen Unfall mit Sachschaden, den die Beteiligten auf der Stelle ohne die Polizei regulieren.

Die Polizei kommt aber trotzdem ins Spiel, weil eine Überwachungskamera den Vorfall filmt. A. hat die Kreuzung demnach in der Rotphase  17,8 Sekunden nach dem Lichtwechsel überfahren. A. wird deshalb  mittels Strafbefehl wegen einer groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Auf unser Anraten akzeptiert A. den Strafbefehl, namentlich weil dieser zurückhalten formuliert ist und A. ausdrücklich eine bloß fahrlässige Begehung vorwirft.

Statt dessen konzentrieren wir uns aufs anschließende Administrativverfahren vor dem Straßenverkehrsamt. In der Schweiz müssen wir immer noch mit dem fragwürdigen Dualismus von Straf- und Administrativverfahren leben, wenn wir gegen Bestimmungen des Straßenverkehrsgesetzes verstoßen (vgl. immerhin neu Art. 67e StGB betr. Fahrverbot). Als das Straßenverkehrsamt einen Fahrausweisentzug von 3 Monaten wegen einer schweren Widerhandlung nach Art. 16c SVG ankündigt, reichen wir für A. im Rahmen des rechtlichen Gehörs eine Eingabe ein. Wir stellen uns auf den Standpunkt, A. habe die Tat nicht mit grobem Verschulden begangen und er habe keine ernstliche Gefahr für andere geschaffen. Insbesondere fehle es an dem für die Annahme einer schweren Widerhandlung erforderlichen rücksichtslosen Verhalten, nachdem sich A. mit seinem Personenwagen in Schritttempo auf die Kreuzung vorgetastet habe. Daher sei der Vorfall aus verwaltungsrechtlicher Optik ausnahmsweise als mittelschwere Widerhandlung nach Art. 16b SVG zu würdigen, was mit einem Entzug von 1 Monat zu ahnden sei.

Das Straßenverkehrsamt des Kantons Zürich schließt sich dieser Auffassung an. A. wird, weil er wegen seines Berufes nachweislich Auto fahren muss, die Fahrerlaubnis für die minimale Dauer von 1 Monat entzogen, auf Wunsch während der Sommerferienzeit.