Beiträge für sanierte Quartierstraße

K. erwirbt drei Grundstücke mit Abbruchsobjekten. Rasch erhält sie die Baubewilligung für den Neubau von Mehrfamilienhäusern auf dem neu zusammengelegten Grundstück. In der Baubewilligung kündigt die Gemeinde an, dass die Erschließungsstraße den Anforderungen nicht genüge und daher neu gestaltet werden müsse. In der Folge legt sie ein Straßenbauprojekt und einen Beitragsplan für eine totalsanierte Straße auf. Weil K. mit der Forderung der Gemeinde nicht einverstanden ist, gelangt sie an uns.

Wir erheben zunächst Einsprache bei der Gemeinde und anschließend Beschwerde beim Spezialverwaltungsgericht. Anlässlich der Augenscheinsverhandlung schlägt der Vorsitzende einen Vergleich vor, den die Parteien annehmen. Das Beschwerdebegehren von K. wird faktisch größtenteils akzeptiert und der Beitrag von K. an die Gemeinde reduziert.

Erwächst einem Privaten durch ein öffentliches Werk, z.B. eine Straße, ein wirtschaftlicher Sondervorteil, muss er sich an den Kosten beteiligen. Die Begründung liegt darin, dass er mehr als die Allgemeinheit von dem Werk profitiert. Für Quartiererschließungsstraßen zwecks Feinerschließung kann der Anteil der Anstößer bis 100 % betragen (vgl. § 34 BauG; Art. 6 WEG). In unserem Fall genügt die Straße den modernen Anforderungen nicht mehr. Weil sie neu erstmals mit einer richtigen Fundation, Randabschlüssen und einer Entwässerung versehen wird, gilt die Erneuerung als erstmalige und damit beitragspflichtige Erschließung.

Das akzeptiert K. im Grundsatz. Sie ist hingegen nicht einverstanden mit der Höhe der Beitragspflicht, insbesondere dass sie für eine Teilfläche des Grundstücks  mehr bezahlen müsste. Die Gemeinde ist der Auffassung, die Grundstücke seien aufgrund der großen Umschwünge und der ungenutzten Abbruchliegenschaften teilweise unüberbaut, weshalb praxisgemäß eine bis 50 % höhere Belastung als für bereits überbaute Grundstücke resultiere (konkret Anteil 100 % anstatt 66,7 % wie für die anderen Anwohner; vgl. AGVE 2014 Nr. 114). Weil aber der Beitragsplan zeitgleich mit der Baubewilligung aufgelegt worden ist, erblickt das Gericht den relevanten aktuellen Zustand in der Situation mit der unmittelbar zuvor bewilligten Überbauung; folglich geht sie von einem überbauten Grundstück aus und reduziert K.s Anteil.

Unterhaltsvertrag als provisorischer Rechtsöffnungstitel

Bei der Trennung halten die Eheleute in einer schriftlichen Vereinbarung u.a. fest, dass der Mann für die Kinder monatlich einen bestimmten Unterhaltsbetrag an die Mutter bezahlt. Ein Jahr später kürzt der Mann den Betrag einseitig, weil die Frau nun angeblich mehr verdiene. Als Vertretung der Frau fordern wir den Mann auf, die Differenz nachzubezahlen oder alternativ eine gerichtliche Anpassung des Unterhalts zu erwirken. Im Übrigen lebe er neu in einer lebensähnlichen Gemeinschaft, was seinen Bedarf reduziere und den geringen Mehrverdienst der Frau egalisiere.

Als nichts geschieht und der Mann nicht einmal mehr das gemeinsame Scheidungsbegehren unterzeichnen will, betreiben wir ihn für die Differenzbeträge. Anstatt rasch eine gerichtliche Klärung mittels Eheschutzbegehren zu erwirken, wehrt er sich und erhebt Rechtsvorschlag (Art. 74 SchKG). Das veranlasst uns, für die Frau und Unterhaltsgläubigerin ein Begehren um provisorische Rechtsöffnung zu stellen (Art. 82 SchKG). Das Rechtsöffnungsverfahren ist eine schweizerische Besonderheit und ermöglicht es dem Gläubige, in einem sehr schlanken, schnellen  und kostengünstigen Verfahren – im summarischen Verfahren (vgl. Art. 251 ZPO) – die Zwangsvollstreckung zu erwirken. Es setzt aber voraus, dass mindestens eine schriftliche Schuldanerkennung des Schuldners vorliegt, in der er sich bedingungslos zur Zahlung eines bestimmten Betrages an den Gläubiger verpflichtet. Bei vollkommen zweiseitigen Verträgen stehen dem Schuldner allerdings mehrere Einwendungen offen, welche die Vorteile der Rechtsöffnung schmälern.

Der Mann wendet ein, nach dem Berner Kommentar (1999) und gemäß einer Entscheidung des Aargauer Obergerichts (2003) könne er jederzeit einseitig erklären, sich nicht mehr an die Unterhaltsverpflichtung zu halten; er sei nur auf Zusehen hin daran gebunden. Er übersieht freilich den entscheidenden Punkt: Hat er sich einmal schriftlich verpflichtet, muss er selbst aktiv werden, um den seiner Meinung nach nicht mehr angemessenen Unterhaltsbetrag anpassen zu lassen. Die Möglichkeit, einseitig zurückzutreten, meint nur, dass der Mann den Unterhaltsbetrag für die Zukunft entweder mit einer einvernehmlichen Regelung mit der Frau oder aber durch Gerichtsurteil anpassen kann. Das Bundesgericht hat dies mehrfach bestätigt und die vom Mann zitierte Meinung im Berner Kommentar verworfen (vgl. Bundesgerichtsurteil 5A_372/2014 vom 23. Oktober 2014, E. 2.5).

Die Rechtsöffnungsrichterin im Kanton Solothurn teilt unsere Auffassung und heißt das Rechtsöffnungsbegehren für die Frau gut. Der Mann muss bis auf weiteres die ursprünglich vereinbarten Unterhaltsbeiträge bezahlen und kann im Bedarfsfall monatlich neu betrieben werden.

 

 

Mann in Schacht überfahren: fahrlässige Tötung?

In einem tragischen Verkehrsunfall kommt ein Bauarbeiter ums Leben, als er in einem offenen Schacht Messungen vornimmt. Unsere Mandantin übersieht in der ihr bestens bekannten Quartierstraße sowohl den offenen Schacht als auch den Mann, der gemäß forensischen Erkenntnissen beim Aufprall ca. 40 – 60 cm über die Straßenfläche herausschaut. Sie vernimmt ein Rumpeln, fährt rückwärts und sieht nach ihren Angaben nichts Außergewöhnliches. Daher fährt sie weiter, ohne sich um das Opfer zu kümmern.

Nach einem umfangreichen Vorverfahren mit Tatrekonstruktion und Visualisierung erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage wegen fahrlässiger Tötung (Art. 117 StGB) und qualifizierter Führerflucht (Art. 92 Abs. 2 SVG). Wir sind der Auffassung, dass der Kausalverlauf und der Tod eines Menschen für die Lenkerin nicht vorhersehbar gewesen ist. Außerdem hat sie an der anspruchsvollen Kreuzung mit starker Neigung und Unübersichtlichkeit nichts falsch gemacht, erst recht nicht, weil die kleine Baustelle überhaupt nicht gesichert oder gekennzeichnet war. Und wenn nicht erwiesen ist, ob der Mann für die Beschuldigte überhaupt irgendwann sichtbar war, hätte sie den Unfall nicht verhindern können.

Das Gericht sieht es anders und verurteilt die Lenker zu 12 Monaten Freiheitsstrafen auf Bewährung. Überdies muss sie der Witwe des Mannes eine Genugtuung bezahlen. Die Lenkerin akzeptiert das erstinstanzliche Urteil.

Über den Fall berichteten die Zeitung und das Lokalfernsehen.