Löschung von Verlustscheinen

Wer als Gläubiger an einer Pfändung teilgenommen hat, erhält für den ungedeckten Betrag seiner Forderung einen Verlustschein. Der Schuldner erhält ein Doppel. Der Verlustscheint gilt als Schuldanerkennung, wobei der Schuldner für die verurkundete Forderung keine Zinsen zu zahlen hat (Art. 149 SchKG).

Die durch den Verlustschein verurkundete Forderung verjährt 20 Jahre nach der Ausstellung des Verlustscheines. Der Schuldner hat das Recht, die Forderung jederzeit durch Zahlung an das Betreibungsamt zu tilgen. Nach der Tilgung wird der Eintrag des Verlustscheins in den Registern gelöscht (Art. 149a SchKG).

Im Auftrag der Rechtsschutzversicherung konnten wir für einen Schuldner eine gute Lösung für die verbleibenden Verlustscheine mit zwei Gläubigern erzielen. Die Sanierung war wichtig, damit der Schuldner ein neues Kreditgeschäft abschließen konnte. Die Tilgung muss nicht zwingend durch Zahlung ans Betreibungsamt erfolgen. In unserem Fall konnte vereinbart werden, dass der Schuldner rund 1/3 der offenen Forderung direkt an die Gläubiger bzw. deren Rechtsnachfolger bezahlt und diese nach Zahlungseingang gegenüber dem Betreibungsamt die Tilgung bestätigen und die Löschung beantragen. Unter Berücksichtigung der potentiellen Zinsen der letzten Jahre musste unser Mandant nur einen Bruchteil der ursprünglichen Schulden bezahlen.

 

Kapitalbezüge nach BVG bei der unentgeltlichen Rechtspflege

Das Bundesgericht hat im Entscheid 4A_362/2018 vom 5. Oktober 2018 eine alte Streitfrage in der unentgeltlichen Rechtspflege (vgl. Art. 117 ff. ZPO) entschieden. Bezieht ein Betroffener sein Pensionskassengeld als Kapital, so ist dieses voll (bzw. abzüglich des sog. Notgroschens) als Vermögen zu berücksichtigen. Ein Teil der Lehre und die meisten Gerichte hatten sich bislang auf den Standpunkt gestellt, der Vorsorgezweck der 2. Säule verböte es, das Geld anzurechnen. Das Kapital sei deshalb umgewandelt als lebenslange Rente als Einkommen zu berücksichtigen.

Das Bundesgericht verwirft etwa den Einwand, das Kapital sei betreibungsrechtlich nur beschränkt pfändbar (vgl. Art. 92 Abs. 1 Ziff. 10 SchKG). Auch die Sicherstellung des Vorsorgezwecks der Kapitalabfindung ist für die obersten Richter mit Bezug auf die unentgeltliche Rechtspflege nicht entscheidend:

4.2.2. (…) Aber nur weil ein Vermögenswert im Betreibungsverfahren beschränkt gepfändet werden kann, bedeutet dies noch nicht zwingend, dass dieser Wert für die prozessuale Bedürftigkeit nicht berücksichtigt werden kann. So wird doch das Erwerbseinkommen – in der Regel die Haupteinnahmequelle des Gesuchstellers – bei der Berechnung der Bedürftigkeit unbestrittermassen als Aktivposten veranschlagt, unabhängig davon, dass dieses nach Art. 93 Abs. 1 SchKG beschränkt pfändbar ist. Sodann wird in der Lehre zu Recht davon ausgegangen, dass die beschränkte Pfändbarkeit der nach Fälligkeit ausgerichteten Rente der zweiten Säule (Art. 93 Abs. 1 SchKG) nichts daran ändere, dass diese bei der Berechnung der Mittellosigkeit für die unentgeltliche Rechtspflege als Einkommen berücksichtigt werden kann. Selbst die absolut unpfändbare Rente der ersten Säule (Art. 92 Abs. 1 Ziff. 9a SchKG; Urteil 5A_926/2017 vom 6. Juni 2018 E. 4.3, zur Publ. vorgesehen) wird im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege nach der herrschenden Lehre zutreffend als Einkommen angerechnet (Bühler, Berner Kommentar, a.a.O., N. 19 und N. 21 zu Art. 117 ZPO; Emmel, a.a.O., N. 6 zu Art. 117 ZPO; Huber, a.a.O., N. 29 zu Art. 117 ZPO; Meichssner, a.a.O., S. 82; Daniel Wuffli, Die unentgeltliche Rechtspflege in der Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2015, Rz. 234; a.M. wohl Jent-Sorensen, a.a.O., N. 22 zu Art. 117 ZPO, nach der nicht zur Finanzierung von Rechtspflegekosten verwendet werden müsse, was nach Art. 92 SchKG unpfändbar sei).

4.2.3. Die nach Eintritt des Versicherungsfalls ausbezahlte Kapitalabfindung der zweiten Säule dient zwar nach der gesetzlichen Konzeption der Vorsorge, bei Eintritt des Altersrentenfalls mithin der Bestreitung des Lebensunterhalts. Nur weil mit dem ausbezahlten Pensionskassenvermögen die Vorsorge bezweckt wird, ist dieser Vermögenswert aber nicht ohne Weiteres bei der Berechnung der Mittellosigkeit nach Art. 117 lit. a ZPO als Vermögen auszunehmen. Mit der Auszahlung des Pensionskassenguthabens und dem Übergang in das Privatvermögen des Versicherten kann dieser grundsätzlich frei darüber verfügen. Es ist also nicht gesetzlich sichergestellt, dass der Versicherte das ausbezahlte Kapital nur für den Vorsorgefall verwenden wird. Auch die Bestimmungen über die unentgeltliche Rechtspflege in der ZPO dienen nicht der Erhaltung des Vorsorgeschutzes des ausbezahlten Pensionskassenkapitals. Wenn sodann davon ausgegangen würde, dass ein Vermögenswert, welcher der Vorsorge gewidmet wäre, bei der Beurteilung der Bedürftigkeit nicht als Vermögen berücksichtigt werden könnte, müssten konsequenterweise auch andere Vermögenswerte im Vermögen unberücksichtigt bleiben (…).

Weiter weist das Bundesgericht auf die Wahlfreiheit des Betroffenen hin, der zwischen einer Rente oder dem Kapital entscheiden kann. Bei der Berechnung der Mittellosigkeit sind aber die beiden Arten nicht gleich zu behandeln. Entweder wird die Rente als Einkommen angerechnet oder eben das bezogene und bei Gesuchseinreichung vorhandene Kapital:

4.2.1. Die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenleistungen der zweiten Säule werden in der Regel als Rente ausgerichtet (Art. 37 Abs. 1 BVG). Der Versicherte hat aber auch grundsätzlich die Möglichkeit sich für eine Kapitalabfindung zu entscheiden (vgl. dazu: Art. 37 Abs. 2 – 4 BVG). Der Bezug des Pensionskassenvermögens als Rente oder als Kapital hat für den Versicherten verschiedene Vor- und Nachteile, die es beim Entscheid über die Modalität der Auszahlung abzuwägen gilt. Eine schematische Gleichbehandlung zwischen den Auszahlungsvarianten Rente und Kapital ist gesetzlich nicht vorgesehen. So gibt es beispielsweise Unterschiede in der steuerlichen Behandlung und auch im Falle des Todes des Versicherten stimmen die Folgen nicht überein. Auch für die unentgeltliche Rechtpflege nach Art. 117 ff. ZPO besteht kein Grund, den autonomen Entscheid des Versicherten zu negieren und für die Berechnung der prozessualen Bedürftigkeit eine hypothetische Rente anzunehmen. Mit der Gleichbehandlung mit einem Versicherten, der sich statt des Kapitalbezugs für eine Rente entschieden hat, lässt sich die Umrechnung des Kapitalbezugs in eine Rente nicht rechtfertigen.

4.2.4. Für die Berechnung der Mittellosigkeit im Sinne von Art. 117 lit. a ZPO ist grundsätzlich unerheblich, aus welcher Quelle ein Vermögenswert stammt und was mit dem Vermögenswert bezweckt werden soll. Dies gilt auch für die nach Eintritt des Versicherungsfalls ausbezahlte Kapitalabfindung aus beruflicher Vorsorge, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen der Versicherte sich für die Auszahlung des Kapitals entschied und für was er das ihm ausbezahlte Pensionskassenkapital verwenden möchte. Soweit das Vermögen des Gesuchstellers den angemessenen „Notgroschen“ übersteigt (dazu oben Erwägung 4.1), ist es ihm zumutbar, dieses zur Finanzierung des Prozesses zu verwenden, bevor dafür die Allgemeinheit durch öffentliche Mittel belastet wird. Es geht nicht an, öffentliche Gelder zu beanspruchen, obwohl eigentlich Vermögen vorhanden wäre, auf das zurückzugreifen der Anspruchsberechtigte aber freiwillig verzichtet (BGE 135 I 288 E. 2.4.4 S. 291). Der Gesuchsteller hat vielmehr die Prozesskosten selbst zu tragen, soweit es seine wirtschaftliche Situation zulässt (BGE 142 III 131 E. 4.1 S. 136).

 

Erfolgreiche paulianische Anfechtung gegen Ehefrau

Geschäftsmann X. hat kein gutes Händchen, was Unternehmen angeht. Eines nach dem anderen geht pleite. Die Ausgleichskasse AHV des entsprechenden Kantons erlässt gestützt auf Art. 52 AHVG Schadenersatzverfügungen, weil X. als ehemaliges Organ für die nicht abgeführten Sozialbeiträge haftet. Just als die Verfügungen ins Haus zu flattern beginnen, schenkt X. seiner Ehefrau Y. seine Gesamthandanteile an den beiden Liegenschaften der Eheleute. Ehefrau Y. ist nun Alleineigentümerin und die Betreibungen gegen X. enden erst recht in Verlustscheinen; die Ausgleichskasse kann sich vorerst mehr als eine halbe Million Franken ans Bein streichen.

Gemeinsam mit der Ausgleichskasse prüfen wir die Möglichkeiten, doch noch zu etwas Geld zu kommen. Wir reichen eine sog. paulianische Anfechtungsklage gegen die Ehefrau Y. ein. Dieses rein betreibungsrechtliche Institut zielt auf die Wiederbeschaffung entäußerter Vermögenswerte des Schuldners ab, ohne dass es materiellrechtliche Wirkungen hätte. Die Ehefrau Y. soll vorliegend also weiterhin Eigentümerin bleiben, doch sie soll die Verwertung der ihr geschenkten Vermögenswerte dulden müssen (vgl. Art. 285 ff. SchKG).

Die „actio Pauliana“ existiert im Schweizer Recht in drei Erscheinungsformen: Schenkungspauliana (Art. 286 SchKG), Überschuldungspauliana (Art. 287 SchKG), Absichts- oder Deliktspauliana (Art. 288 SchKG). Bei unserer Anfechtungsklage handelt es sich um eine Absichtspauliana, mit der wir die Rückführung im Sinne einer Duldung durch Y. der hälftigen Gesamthandsanteile ins Vollstreckungssubstrat von X. beantragen. Wir müssen dabei die vermögensschädigende Rechtshandlung durch X., deren Vornahme innerhalb einer sog. Verdachtsperiode von 5 Jahren vor der Pfändung, die Absicht von X., seine Gläubiger zu schädigen und die Erkennbarkeit der Schädigungsabsicht durch Y. beweisen. Weil Y. die Ehefrau von X. ist, wird immerhin die Erkennbarkeit der Schädigungsabsicht vermutet (Art. 288 Abs. 2 SchKG).

Das Gericht erster Instanz am Wohnsitz von Y. (vgl. Art. 289 SchKG) heißt die Klage vollumfänglich gut und ordnet die Vollstreckung gegen Y. an. Die Liegenschaften sind aufgrund von Beschlagnahmebefehlen in einem Strafverfahren gegen X. mit einer Grundbuchsperre belegt (vgl. Art. 56 GBV). Eine allfällige strafrechtliche Verwertung wird wahrscheinlich vorgehen (vgl. Art. 44 SchKG).

Unterhaltsvertrag als provisorischer Rechtsöffnungstitel

Bei der Trennung halten die Eheleute in einer schriftlichen Vereinbarung u.a. fest, dass der Mann für die Kinder monatlich einen bestimmten Unterhaltsbetrag an die Mutter bezahlt. Ein Jahr später kürzt der Mann den Betrag einseitig, weil die Frau nun angeblich mehr verdiene. Als Vertretung der Frau fordern wir den Mann auf, die Differenz nachzubezahlen oder alternativ eine gerichtliche Anpassung des Unterhalts zu erwirken. Im Übrigen lebe er neu in einer lebensähnlichen Gemeinschaft, was seinen Bedarf reduziere und den geringen Mehrverdienst der Frau egalisiere.

Als nichts geschieht und der Mann nicht einmal mehr das gemeinsame Scheidungsbegehren unterzeichnen will, betreiben wir ihn für die Differenzbeträge. Anstatt rasch eine gerichtliche Klärung mittels Eheschutzbegehren zu erwirken, wehrt er sich und erhebt Rechtsvorschlag (Art. 74 SchKG). Das veranlasst uns, für die Frau und Unterhaltsgläubigerin ein Begehren um provisorische Rechtsöffnung zu stellen (Art. 82 SchKG). Das Rechtsöffnungsverfahren ist eine schweizerische Besonderheit und ermöglicht es dem Gläubige, in einem sehr schlanken, schnellen  und kostengünstigen Verfahren – im summarischen Verfahren (vgl. Art. 251 ZPO) – die Zwangsvollstreckung zu erwirken. Es setzt aber voraus, dass mindestens eine schriftliche Schuldanerkennung des Schuldners vorliegt, in der er sich bedingungslos zur Zahlung eines bestimmten Betrages an den Gläubiger verpflichtet. Bei vollkommen zweiseitigen Verträgen stehen dem Schuldner allerdings mehrere Einwendungen offen, welche die Vorteile der Rechtsöffnung schmälern.

Der Mann wendet ein, nach dem Berner Kommentar (1999) und gemäß einer Entscheidung des Aargauer Obergerichts (2003) könne er jederzeit einseitig erklären, sich nicht mehr an die Unterhaltsverpflichtung zu halten; er sei nur auf Zusehen hin daran gebunden. Er übersieht freilich den entscheidenden Punkt: Hat er sich einmal schriftlich verpflichtet, muss er selbst aktiv werden, um den seiner Meinung nach nicht mehr angemessenen Unterhaltsbetrag anpassen zu lassen. Die Möglichkeit, einseitig zurückzutreten, meint nur, dass der Mann den Unterhaltsbetrag für die Zukunft entweder mit einer einvernehmlichen Regelung mit der Frau oder aber durch Gerichtsurteil anpassen kann. Das Bundesgericht hat dies mehrfach bestätigt und die vom Mann zitierte Meinung im Berner Kommentar verworfen (vgl. Bundesgerichtsurteil 5A_372/2014 vom 23. Oktober 2014, E. 2.5).

Die Rechtsöffnungsrichterin im Kanton Solothurn teilt unsere Auffassung und heißt das Rechtsöffnungsbegehren für die Frau gut. Der Mann muss bis auf weiteres die ursprünglich vereinbarten Unterhaltsbeiträge bezahlen und kann im Bedarfsfall monatlich neu betrieben werden.