Wir setzen uns häufig für die Schwachen der Gesellschaft ein. Dieses Mal gilt unser Engagement pro bono für die Allerschwächsten. Für die Aktion „Oktopus für Frühchen“ häkeln wir vier Kuschel-Tintenfische. Die Aktion hat sich zum Ziel gesetzt, jedem Frühchen einen gehäkelten Tintenfisch zu schenken. Dieser erleichtert den Start ins Leben. Die Tintenfische „Minion“, „Blue“, „Miss Green“ und „Pirat“, abgegeben in der Nadelwärkstatt Unterentfelden, werden in der Tagesschau des SRF 1 vom 10. Februar 2018 gezeigt.
Stefan Meichssner
Keine tiefere IV-Rente bei Soziallohn durch Arbeitgeberin
Wird ein Angestellter krank und ist langfristig nicht mehr in der Lage, seine vertraglich vereinbarte Arbeit zu erledigen, kann die Arbeitgeberin auf unterschiedliche Weise damit umgehen. Sie kann nach Ablauf der gesetzlichen Sperrfristen das Arbeitsverhältnis einseitig auflösen, also kündigen. Sie kann sich aber auch dafür entscheiden, dem Angestellten eine neue, dem gesundheitlich zumutbaren Leistungsprofil entsprechende Tätigkeit anzubieten, verbunden mit einem ebenfalls angepassten Salär (dies kann mittels Änderungskündigung oder durch Vereinbarung umgesetzt werden). Die Arbeitgeberin kann aber auch bewusst auf eine Vertragsanpassung verzichten und trotz gesundheitlich bedingter Leistungseinbusse des Angestellten weiterhin das gleiche Gehalt ausrichten. Jener Teil des Lohnes, der nicht mehr der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entspricht, nennt man Soziallohnkomponente.
Sozialversicherungsrechtlich ist es wichtig, eine Soziallohnkomponente zu erkennen. Die IV-Grad-Berechnung als Grundlage für eine IV-Rente vergleicht das sog. Validen- mit dem sog. Invalideneinkommen, d.h. es wird die Erwerbseinbuße ermittelt, die dadurch resultiert, dass ein Angestellter mit der gesundheitlichen Einschränkung nicht mehr so viel verdienen kann wie als gesunder Arbeitnehmer. Maßgebend für das Invalideneinkommen ist grundsätzlich das zuletzt tatsächlich (und in gesundheitlicher Hinsicht zumutbar) erzielte Einkommen. Bei einer Soziallohnkomponente ist das Invalideneinkommen zu hoch, die Erwerbseinbuße zu klein und damit der IV-Grad zu tief. Richtigerweise muss die Soziallohnkomponente vom Invalideneinkommen abgezogen werden, wodurch ein höherer IV-Grad resultiert.
Um eine Soziallohnkomponente zu erkennen, fragt die IV-Stelle bei der aktuellen oder letzten Arbeitgeberin mittels standardisiertem Fragebogen nach, ob der ausbezahlte Lohn der tatsächlichen Leistung entspricht. Wird dies verneint, darf die IV-Stelle dies nicht einfach übergehen und die Glaubwürdigkeit der von der Arbeitgeberin gemachten Angaben pauschal anzweifeln. Vielmehr hat sie in freier Beweiswürdigung zu entscheiden und zu begründen, weshalb sie unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einer Soziallohnkomponente ausgeht oder aber eine solche verneint.
Die Soziallohnkomponente allein gestützt auf eine Einschätzung eines RAD-Arztes zu verneinen, der in seiner Stellungnahme die Aussagen der Arbeitgeberin übergeht und/oder negiert und daraus gar in Abweichung der Einschätzung anderer Fachärzte Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit des Angestellten ziehen will, ist unzulässig. Ein solches Vorgehen wird von den Gerichten nicht geschützt.
(Foto: Rockefeller Center New York City, Stefan Meichssner, October 2017)
Dublin ist nicht nur die Hauptstadt von Irland
Unter europäischen Politikern ist auch im Jahr drei der „Flüchtlingskrise“, bei der es sich in Tat und Wahrheit um eine politische Krise erster Güte handelt, immer noch die Auffassung verbreitet, mit dem historischen Asylrecht und Umverteilungsaktionen die globalen Migrationsströme bewältigen zu können und die „Welt retten“ zu müssen. So wird in ärmeren Weltgegenden unter jungen Menschen die Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa geschürt. Denn mit dem Zauberwort „Asyl“ kann man trotz illegaler Einreise, kultureller Inkompatibilität und fehlender beruflicher Qualifikation fast immer bleiben. Viele Politiker kämpfen für ihre Ideologie und blenden dabei mitunter offensichtliche Tatsachen aus, ganz nach dem Motto: Was nicht sein darf, kann nicht sein. So würde etwa ein Blick auf die Landkarte genügen, um zu erkennen, dass es in der Schweiz oder in Deutschland, umgeben von sicheren Drittstaaten, gar keine echten Flüchtlinge geben kann. Wer ein Asylgesuch einreicht, ist noch lange nicht, wie es uns die Mainstream-Medien unermüdlich weismachen wollen, ein „Flüchtling“. Wer ein Baugesuch einreicht, ist ja auch nicht gleichzeitig Bauherr, geschweige denn Eigenheimbesitzer.
Als Teil des EU-Asylrechts legt die für die Schweiz faktisch verbindliche (vgl. Art. 5 Dublin-Ausführungsabkommen DAA; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 2017 E-1998/2016, Erwägung 5.3.1) Dublin-III-Verordnung (Verordnung [EU] Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013) die Kriterien und das Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats fest, der einen Antrag auf internationalen Schutz durch einen Drittstaatsangehörigen prüfen muss. Grundsätzlich ist bis 12 Monate nach Einreise derjenige Mitgliedstaat zuständig, über dessen Grenze der Migrant illegal in den Dublin-Raum gelangt ist. Kann die überquerte Außengrenze nicht nachgewiesen werden, ist derjenige Mitgliedstaat zuständig, in dem sich der Migrant während 5 Monaten ununterbrochen aufgehalten hat.
Unser Fall handelt von einem jungen Mann aus Ägypten, der sich auf der Suche nach einem besseren Leben nach Europa aufmachte. Er reiste 2015 unkontrolliert in Merkel-Deutschland ein, wo er 2016 ein Asylgesuch stellte. Weil er in Deutschland nicht bleiben wollte, kam er 2017 in die Schweiz, wo er ein weiteres Asylgesuch stellte. Auf dieses traten die Bundesbehörden gestützt auf Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG nicht ein, nachdem Deutschland der Rückübernahme gemäß der Dublin-III-Verordnung zugestimmt hatte (vgl. Art. 18 Abs. 1 Bst. b Dublin-III-Verordnung).
Die Dublin-Bestimmungen verbieten es, allein wegen eines Dublin-Verfahrens einen Migranten in Haft zu nehmen. Das Gesetz erlaubt eine Ausschaffungshaft vielmehr nur, wenn im Einzelfall Anzeichen befürchten lassen, der Betroffene werde sich der Wegweisung entziehen, und die Haft verhältnismäßig ist (Art. 76a Abs. 1 AuG). Anzeichen für ein Entziehen sind nach dem detaillierten Katalog in Art. 76a Abs. 2 AuG z.B. die Einreise in die Schweiz trotz bestehendem Einreiseverbot, die Verurteilung wegen eines Verbrechens oder die erhebliche Gefährdung von Leib und Leben von Personen. In unserem Fall war der Ägypter in Genf wegen eines nicht geringfügigen Diebstahls verurteilt worden und weigerte er sich partout, nach Merkel-Deutschland zurückzukehren. Daher ordnete das Migrationsamt die Dublin-Haft als Spezialfall der Ausschaffungshaft an.
Im Unterschied zur normalen Ausschaffungshaft findet bei der Dublin-Haft keine automatische richterliche Haftüberprüfung statt (Art. 80a Abs. 3 AuG). Im Gegenzug ist aber auch die Haftdauer kürzer: Die Dublin-Haft lässt sich grob in drei Phasen mit einer Dauer von 7 bzw. 5 bzw. 6 Wochen einteilen (vgl. Art. 76a Abs. 3 AuG).
Rechtsprechung zu IV-Renten bei Depressionen geändert
Leichte bis mittelgradige depressive Störungen wurden von der Invalidenversicherung bisher als nicht invalidisierende und damit als nicht versicherte Krankheiten taxiert. IV-Renten gab es einzig dann, wenn die depressive Problematik mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als therapieresistent eingestuft wurde.
Das Bundesgericht hinterfragte nun aber seine bisherige Praxis und verabschiedete sich von ihr mit Urteil 8C_841/2016 vom 30. November 2017. Künftig ist auch bei leichten bis mittelschweren Depressionen ein strukturiertes Beweisverfahren anhand des mit BGE 141 V 281 für psychosomatische Leiden eingeführten Indikatorenkatalogs durchzuführen. Aus medizinischer Sicht können, so das Bundesgericht, funktionelle Beeinträchtigungen durch somatoforme/funktionelle Störungen und durch solche depressiver Natur gleich groß sein. Die Objektivier- und Beweisbarkeit seien bei der Feststellung somatoformer Störungen und vergleichbarer Leiden eingeschränkt, worin sie sich aber nicht von anderen psychischen Störungen unterscheiden würden. Durch die Verwendung des Indikatorenkatalogs soll einerseits die Frage beantwortet werden können, ob und wie sich die lege artes diagnostizierte Krankheit leistungsmindernd auswirkt. Andererseits sollen auch sog. reaktive psychosoziale Belastungsfaktoren als invaliditätsfremdes Geschehen von der gesundheitlichen Beeinträchtigung abgegrenzt werden können. Verlauf und Ausgang von Therapien gelten dabei als wichtige Indikatoren für den Schwergrad der Erkrankung (Kategorie «funktioneller Schweregrad») und für den Leidensdruck durch Inanspruchnahme oder Verweigerung von therapeutischen Optionen (Kategorie «Konsistenz»), sind aber keine absoluten Ausschlusskriterien mehr.
Im Einzelfall dürfen die IV-Stellen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf die Verwendung des Indikatorenkatalogs und damit auf die Durchführung des strukturierten Beweisverfahrens verzichten, z.B. wenn im Rahmen beweiswertiger fachärztlicher Berichte eine Arbeitsunfähigkeit in nachvollziehbar begründeter Weise verneint wird und allfälligen gegenteiligen Einschätzungen mangels fachärztlicher Qualifikationen oder aus anderen Gründen kein Beweiswert beigemessen werden kann.
Mit der Änderung seiner Rechtsprechung besinnt sich das Bundesgericht auf den in der Invalidenversicherung geltenden Grundsatz, wonach die Therapierbarkeit eines Leidens dem Eintritt einer rentenbegründenden Invalidität nicht absolut entgegensteht. Denn die Behandelbarkeit sagt für sich alleine betrachtet nichts über den invalidisierenden Charakter einer psychischen Störung aus. Entscheidend ist, ob es der versicherten Person zumutbar ist, eine Arbeitsleistung zu erbringen, was nach einem weitgehend objektiven Maßstab zu beurteilen ist (BGE 139 V 547 ff. E. 5.2, vgl. auch Art. 7 Abs. 2 ATSG). Die Kunst, die Leistungseinschränkung bei psychosomatischen Leiden und bei leicht- bis mittelgradig depressiven Störungen zu objektivieren und von psychosozialen Belastungsfaktoren abzugrenzen, wird allerdings auch in Zukunft sowohl Ärzte als auch Versicherte und ihre Anwältinnen vor Herausforderungen stellen.
(Foto: Polizeipräsenz in New York City, Stefan Meichssner, Oktober 2017)
Gesetzliche Neuerungen bei der Schwarzarbeit
Ab 1. Januar 2018 können gemäß revidiertem Bundesgesetz über Maßnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (BGSA) die Sozialhilfebehörden, die Einwohnerkontrolle und das Grenzwachtkorps die für die Schwarzarbeit zuständigen Organe, also das kantonale Migrationsamt, über Hinweise auf Schwarzarbeit informieren. Außerdem sollen Missbräuche beim vereinfachten Abrechnungsverfahren mit der Ausgleichskasse unterbunden werden, indem z.B. Kapitalgesellschaften, Genossenschaften sowie im eigenen Betrieb mitarbeitende Ehegatten und Kinder ausgeschlossen werden. Ihnen steht künftig unabhängig von der Lohnsumme nur noch das ordentliche Verfahren zur Abrechnung der AHV-Beiträge mit der zuständigen Ausgleichskasse offen.
Beim vereinfachten Abrechnungsverfahren können nebst den ordentlichen Sozialversicherungsbeiträgen auch die Steuern der Angestellten mit der zuständigen Ausgleichskasse abgerechnet werden. Akontorechnungen entfallen, weil die Abrechnung einmal jährlich aufgrund der definitiven Lohndeklaration erfolgt. Das vereinfachte Abrechnungsverfahren steht grundsätzlich Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern offen, deren Löhne der einzelnen Mitarbeitenden pro Jahr CHF 21150 nicht übersteigt, deren gesamte Lohnsumme pro Jahr unter CHF 56400 liegt, bei denen sämtliche Löhne im vereinfachten Verfahren abgerechnet werden und welche die Abrechnungs- und Zahlungsverpflichtungen ordnungsgemäß einhalten.
(Foto: Auf dem Laugarvegur zwischen Hrafntinnusker und Alftavatn, Island, Stefan Meichssner, August 2017)
Invalidenversicherung: Bundesgericht pfeift IV-Detektive zurück
Wie schon die Unfallversicherung verfügt auch die Invalidenversicherung über keine genügende gesetzliche Grundlage, um ihre Versicherten mittels Detektiven observieren zu lassen. Dies entschied das Bundesgericht in seinem Entscheid 9C_806/2016 vom 14. Juli 2017. Im Nachgang zu dem höchstrichterlichen Urteil wies das Bundesamt für Sozialversicherungen als Aufsichtsbehörde die IV-Stellen an, vorläufig keine Observationen mehr anzuordnen und laufende Überwachungen zu beenden.
Im Rahmen der laufenden Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (ATSG) soll die fehlende gesetzliche Grundlage geschaffen werden, damit Bezügerinnen und Bezüger von IV-Leistungen (z.B. IV-Renten, Hilflosenentschädigungen etc.), die von den IV-Stellen des missbräuchlichen Leistungsbezugs verdächtig werden, wieder observiert werden dürfen.
(Foto: Surveillance camera, Times Square New York City, Stefan Meichssner, October 2017)
Dicht am Wasser im dicht überbauten Gebiet
A. kämpft seit Jahren gegen erbitterten Widerstand aus der Nachbarschaft für die Baubewilligung für sein lang ersehntes Eigenheim. Beim Grundstück handelt es sich um eine der letzten noch nicht überbauten Parzellen in einer größeren Ortschaft, das an einem kleinen Fluss liegt. Ein erster Versuch scheiterte, weil die Beschwerdeinstanz die bisherige Praxis der Gemeinde nicht mehr tolerierte und neu die Grundstücksfläche im nicht bebaubaren Gewässerraum zur Berechnung der Ausnützungsziffer ausklammerte. Dadurch war die Ausnützungsziffer überschritten.
Jetzt wendet sich A. an uns, um das Projekt „beschwerdesicher“ zu machen. Doch auch die neue Baubewilligung wird von der Nachbarschaft weitergezogen, darunter sogar die ehemalige Verkäuferin der Parzelle. Dieses Mal scheitern jedoch die Beschwerdeführer und obsiegt der Bauherr.
Das Hauptproblem liegt im zweiten Verfahren im Gewässerabstand. Weil für den Fluss noch keine Nutzungsplanung durchgeführt worden ist, wozu die Kantone bis 31. Dezember 2018 verpflichtet sind, bestimmt sich der Gewässerabstand anhand der bundesrechtlichen Übergangsbestimmungen in der Gewässerschutzverordnung (Art. 36a Gewässerschutzgesetz [GSchG], Abs. 1 Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 4. Mai 2011 der Gewässerschutzverordnung [GSchV], Fachkarte Gewässerraum Kanton Aargau). Demnach handelt sich bei dem betroffenen Bereich um ein dicht überbautes Gebiet, in dem mit einer Ausnahmebewilligung unter Abwägung sämtlicher Interessen die Unterschreitung des Gewässerraums möglich ist (Art. 41a Abs. 1 Bst. a GSchV); vgl. BGE 143 II 77 ff. [Altendorf]; BGE 140 II 428 ff. [Dagmersellen]). Vorliegend darf gemäß kantonaler Genehmigungsbehörde ausnahmsweise bis 8 m an den Fluss gebaut werden, was von der Beschwerdeinstanz als rechtsfehlerfrei erachtet wird. Der normale Gewässerraum für den Fluss mit einer Gerinnesohle von 6 m würde ca. 14 m an jedem Ufer betragen (Abs. 2 Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 4. Mai 2011 der GSchV).
(Foto: Markarfljots-Schlucht, Island, Stefan Meichssner, August 2017)
Raser verlieren ihr Auto nicht in jedem Fall
Auf Schweizer Landstraßen gilt eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h. Wer 60 km/h zu schnell fährt, also 140 km/h oder noch schneller unterwegs ist, gilt als „Raser“. Er begeht gemäß Gesetz „in jedem Fall“ eine „besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit“ und wird mit einer Freiheitsstrafe von einem bis vier Jahre bestraft (Art. 90 Abs. 3 und Abs. 4 SVG). Das Bundesgericht anerkennt immerhin nach anfänglichem Zögern, dass „in jedem Fall“ nicht ungeachtet eines ausnahmsweise fehlenden Vorsatzes die harte Bestrafung nach sich ziehen darf (BGE 142 IV 137 ff.).
Unser Mandant wird abzüglich der Toleranz außerorts mit genau 140 km/h geblitzt. Das Fahrzeug ist zwar auf seinen Namen zugelassen, doch es wird zur Hauptsache von der Ehefrau als Familienauto genutzt, weil der Mandant normalerweise mit seinem Geschäftsauto herumfährt. Dennoch beschlagnahmt die Staatsanwaltschaft vorliegend das Fahrzeug als Tatwerkzeug standardmäßig zur Sicherstellung seiner möglichen späteren Einziehung durch das Gericht (Art. 90a SVG; Art. 263 StPO).
Der Mandant ist geständig. Wir können durch Einwilligung ins abgekürzte Verfahren bei der Staatsanwältin erreichen, dass das Fahrzeug nach wenigen Wochen freigegeben und der Ehefrau des Mandanten ausgehändigt wird. Außerdem erhält unser Mandant die minimale Freiheitsstrafe auf Bewährung und eine happige Buße dazu (Art. 42 Abs. 4 StGB). Das Gericht akzeptiert schließlich den „Deal“ (Art. 362 StPO).
(Foto: Autos im Hochland bei Emstrur, Island, Stefan Meichssner, August 2017)
Architektenvertrag: Auftrag oder Werkvertrag?
Die rechtliche Einordnung des Vertrags des Architekten mit seinem Auftraggeber ist Gegenstand einer langen Kontroverse. Dies rührt daher, dass er als Planervertrag gesetzlich nicht geregelt ist. Er kann verschiedene baubezogene Leistungen beinhalten, z.B. Erstellung eines Kostenvoranschlages, Zeichnung von Plänen und Skizzen, Bauleitung und Vergabe von Arbeiten.
Entgegen Art. 394 Abs. 2 OR sind Planerverträge nicht automatisch einfache Aufträge, sondern unterstehen einzelne Leistungen dem Recht des Auftrags, andere sind als Werkverträge einzustufen. Für das Bundesgericht ist für die Abgrenzung das Kriterium der Überprüfbarkeit des Arbeitserfolges zentral: Ein Kostenvoranschlag kann (nachträglich) überprüft werden, die Bauleitung nicht.
Der globale Planervertrag, der sämtliche Planleistungen verschiedener Fachrichtungen für ein Bauvorhaben in einem Dokument enthält (Planung, Bauleitung, Erstellen Kostenvoranschlag, Vergabe von Bauarbeiten) gilt gemäß bundesgerichtlicher Rechtsprechung und einem Teil der Lehre als gemischter Vertrag. Die Fiktion eines Gesamtvertrages ist jedoch trügerisch, da auch das Bundesgericht eine „Spaltung“ der Rechtsfolgen je für auftragstypische und werkvertragstypische Leitung vorsieht. Nur die vorzeitige Auflösung des Gesamtvertrages will das Bundesgericht auf jeden Fall dem Auftragsrecht und damit insbesondere dem jederzeitigen Kündigungsrecht von Art. 404 OR unterstellen. Ein anderer Teil der Lehre will den Planer-Gesamtvertrag ungeteilt dem Auftragsrecht unterstellen. Also nicht nur die vorzeitige Auflösung, sondern generell sollen sich die Rechte und Pflichten und insbesondere die Haftung nach den Regeln des einfachen Auftrags bestimmen. Die Gesamttätigkeit sei qualitativ mehr als bloß die Summe der Teilleistungen. Unabhängig davon, ob einzelne Arbeitserfolge wie z.B. Pläne geschuldet seien, richte sich die Arbeit des Architekten auf eine geistige Gesamttätigkeit, durch die zur Errichtung der Baute beigetragen wird, die jedoch nicht das Werk als Erfolg schuldet.
Fazit: Es ist nach wie vor unklar, welche gesetzlichen Regeln im Streitfall auf den Planervertrag Anwendung finden. Mit kluger Vertragsgestaltung kann diesen Unsicherheiten teilweise begegnet werden. Nicht möglich ist zwar eine rechtliche Qualifikation als Auftrag oder Werkvertrag durch die Parteien selbst; denn die rechtliche Qualifikation muss das Gericht von Amtes wegen vornehmen, unabhängig von der falschen oder unpräzisen Bezeichnung des Vertrages durch die Parteien. Zulässig ist jedoch, in den Schranken des Gesetzes Abweichungen von den dispositiven Gesetzesbestimmungen zu vereinbaren. Beispielsweise ist es möglich, einen Werkvertrag ausnahmsweise der jederzeitigen auftragsrechtlichen Kündigungsmöglichkeit nach Art. 404 OR zu unterstellen. Auch ist nicht von der Hand zu weisen, dass bei einer konsequenten Bezugnahme auf einen Vertragstypus die spätere richterliche Auslegung beeinflusst werden kann.
Für unsere Mandantschaft erstellen wir die nötigen Dokumente für Planerverträge. Die zahlreichen Muster und Allgemeinen Bedingungen auf dem Markt (SIA, KBOB etc.) dienen als Vorlagen, die wir auf die individuellen Bedürfnisse abstimmen.
(Bild: Financial District New York City, Stefan Meichssner, Oktober 2017)
Nachbar ohne Abstand und Anstand
Nachbarschaftliche Beziehungen sind bekanntlich nicht immer einfach. Allzu oft entwickeln sich regelrechte Kleinkriege zwischen Nachbarn. In unserem Fall verlangte der Nachbar von unserer Mandantschaft die Entfernung der Thuja-Hecke, welche angeblich sein Eigentum verletzte. Vor der schriftlichen Aufforderung durch die Anwältin war der Nachbar mehrfach ausfällig geworden. Unsere Abklärungen zeigten, dass die Hecke tatsächlich auf, ja zum größten Teil sogar jenseits der Grenze stand. Unsere Mandanten hatten die Hecke aufgrund einer mündlichen Abmachung mit dem Rechtsvorgänger des heutigen Nachbarn so gepflanzt und auch stets alleine gepflegt. An diese Abmachung wollte sich der neue Nachbar jedoch nicht halten.
Wir zeigen der Mandantschaft die maßgeblichen Bestimmungen auf: Für Pflanzen gelten die privatrechtlichen Bestimmungen des aargauischen Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch in §§ 88 ff. EG ZGB. Die Abstandsvorschriften sind kompliziert und hängen von der Art der Pflanze ab (Obstbaum, Zierbaum, Zwergbaum, Strauch etc.). So dürfen Sträucher mit einer Höhe bis 3 m bis 1 m an die Grundstücksgrenze gepflanzt werden und selbstredend die Grenze nicht überwachsen. Gehölze bis 1,80 m Höhe dürfen bis 0,60 m an die Grenze gesetzt werden, was grundsätzlich für Thuja-Hecken gilt.
Die Mandantschaft kann sich für die Zukunft, gleichsam als Ersatz für die entfernte Thuja-Hecke, eine Einfriedung mit einer Holzpalisade oder dergleichen vorstellen. Für diesen Fall sind die verwaltungsrechtlichen Bauvorschriften zu Rate zu ziehen. Die Einfriedung darf höchstens 1,80 m hoch werden, wenn sie direkt an die Grenze gesetzt wird. Soll sie höher werden, ist sie um das Mehrmaß von der Grenze zurückzuversetzen (§ 28 BauV).
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass für Einfriedungen ab einer Höhe von 1,20 m eine Baubewilligung eingeholt werden muss (§ 49 Abs. 2 Bst. a BauV). Sie sind also zulässig, aber genehmigungspflichtig. Dies unterscheidet sie von der üblichen Gartengestaltung, die in der Bauzone grundsätzlich baubewilligungsfrei erfolgen darf.
(Foto: Time Square New York City, Stefan Meichssner, Oktober 2017)