Landesverweisung bei Flüchtlingseigenschaft

Wer wegen einer sog. Katalogtat verurteilt wird, wird grundsätzlich zwingend des Landes verwiesen (vgl. Art. 66a StGB). Bei anerkannten Flüchtlingen entsteht dadurch ein potentieller Konflikt, da sie ja an sich wegen einer Verfolgung in ihrer Heimat Schutz erhalten haben sollten. Dennoch steht die Flüchtlingseigenschaft der Anordnung der Landesverweisung nicht per se entgegen. Das Gericht muss freilich in derartigen Fällen das Vorliegen eines persönlichen Härtefalls besonders gut prüfen und die öffentlichen und privaten Interessen einander gegenüberstellen. Soweit die Verhältnisse stabil und die rechtliche (Un-)Durchführbarkeit der Landesverweisung bestimmbar ist, ist dies bereits bei der Urteilsfällung zu berücksichtigen. Völkerrechtlich in jedem Fall untersagt ist die Abschiebung in ein Land, wo das Leben oder die Freiheit des Beschuldigten wegen der Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit etc. gefährdet wäre, außer der Betroffene würde eine Bedrohung der nationalen Sicherheit oder sonst ein akute Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen (vgl. Art. 32 f. FK). Auch eine Gefährdung im Sinne des Folterverbots (vgl. Art. 3 EMRK) sowie ein möglicher Eingriff in das Recht auf Familienbeziehung (vgl. Art. 8 EMRK) sind selbstredend zu berücksichtigen. Grundsätzlich bedeutet aber eben eine Katalogtat die automatische Landesverweisung, die allenfalls später halt nicht vollzogen werden kann (vgl. Art. 66d StGB).

In unserem Fall erfolgt eine Verurteilung u.a. wegen versuchter schwerer Körperverletzung, einfacher Körperverletzung, Diebstahls, mehrfachen Hausfriedensbruchs, Drohung, mehrfacher Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte etc. Da damit einerseits eine (mittlere) Gefahr für die öffentliche Ordnung der Schweiz erstellt und andererseits gleichzeitig keine konkrete Gefährdung des Beschuldigten in seiner Heimat glaubhaft gemacht ist, ist die Landesverweisung auszusprechen. Zudem verfügt der Beschuldigte über keinerlei Bezugspunkte zur Schweiz, hat insbesondere keine familiären Beziehungen.

Die Bundesbehörden gewährten dem Beschuldigten seinerzeit erstaunlicherweise ohne vertiefte Prüfung und ohne Begründung Asyl. Dies und der Umstand, dass der Beschuldigte im Asylverfahren lediglich den Wunsch geäußert hatte, hierzulande ein neues Leben aufbauen wolle, vermag somit nichts an der obligatorischen Landesverweisung zu ändern.

Ausschaffung wegen Corona undurchführbar

Das Bundesgericht entscheidet grundsätzlich in Dreierbesetzung, wenn nicht schon vorher ein Einzelrichter wegen offensichtlicher Unzulänglichkeiten auf die Beschwerde gar nicht erst eintritt (vgl. Art. 20 und Art. 108 f. BGG). Über eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, die wir gegen eine Verlängerung der Ausschaffungshaft eingereicht hatten, entschied der Supreme Court indes am 25. Mai 2020 in Fünferbesetzung.

Wir hatten dem Bundesgericht die Frage unterbreitet, ob es zulässig sei, die in Art. 80 Abs. 2 AIG vorgeschriebene mündliche Haftprüfungsverhandlung via Skype, also ohne physische Präsenz der Parteien, durchzuführen. In der Beschwerde beantragten wir die Kassierung eines entsprechenden Urteils des Verwaltungsgerichts und die unverzügliche Freilassung unseres Klienten, nachdem das Gericht wegen der Corona-Pandemie ohne Antrag einer Partei von sich aus eine Haftüberprüfung via Skype angeordnet hatte, bei der alle Parteien und Beteiligten nur digital zugeschaltet wurden. Im Rahmen des rechtlichen Gehörs hatte unser Klient, der soeben Vater geworden war und dem in der allgemeinen Corona-Hysterie jegliche Besuche im Ausschaffungsgefängnis verboten worden waren, zuvor ausdrücklich eine richtige Gerichtsverhandlung verlangt.

In der Entscheidung 2C_312/2020 vom 25. Mai 2020 prüft das Gericht leider die formellen Einwände (vgl. Beschwerde, Rz. 14 ff.) gegen die Haftprüfung via Skype nicht. Dennoch heißt es die Beschwerde in der Sache gut. Aufgrund der Corona-Pandemie sei derzeit entgegen der Vorinstanz eine Durchführung der Ausschaffung nicht absehbar. Die Vorinstanz habe zu Unrecht auf die maximal zulässige Haftdauer von 18 Monaten abgestellt, anstatt den Einzelfall genauer zu prüfen. Entscheidend sei, ob der Wegweisungsvollzug mit hinreichender Wahrscheinlichkeit innert absehbarer Zeit möglich erscheint oder nicht. Die Haft verstößt gegen Art. 80 Abs. 6 Bst. a AIG und ist zugleich unverhältnismäßig, wenn triftige Gründe dafür sprechen, dass die Wegweisung innert vernünftiger Frist nicht vollzogen werden kann. Auch der Hinweis des Staatssekretariats für Migration, wonach Sonderflüge nicht ausgeschlossen seien, sei zu vage im Hinblick auf die praxisgemäß verlangte Durchführbarkeit innert absehbarer Zeit.

Weil die verlängerte Ausschaffungshaft nicht mehr gerechtfertigt ist, verletzt sie gleichzeitig die Habeas Corpus-Rechte gemäß Art. 5 Ziff. 1 Bst. f EMRK. Das Bundesgericht ordnet daher konsequenterweise die unverzügliche Freilassung unseres Mandanten an.