Einstellungsverfügungen gegen Polizisten

Drei SEK-Polizisten werden gerufen, als ein Mann in einem psychotischen Ausnahmezustand in seiner Wohnung randaliert und seinen Betreuer angreift. Die Polizisten müssen davon ausgehen, dass der Mann mit einer Metallstange bewaffnet ist. Der Mann rastet beim Eintreffen der Polizisten völlig aus. Den Polizisten gelingt es nur mit Mühe, den Mann festzunehmen. Nach der polizeilichen Intervention weist der Mann u.a. einen gebrochenen Kiefer auf. Die Staatsanwaltschaft eröffnet ein Verfahren gegen die drei Polizisten, von denen wir einen verteidigen können. Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren indes nach mehreren Einvernahmen und Vorliegen eines forensischen Gutachtens gemäß Art. 319 Abs. 1 StPO ein; sie ist der Auffassung, die Polizisten hätten in Übereinstimmung mit dem Polizeigesetz, verhältnismäßig und in Notwehr gehandelt.

Dieser Entscheid wird vom Obergericht und schließlich auch vom Bundesgericht geschützt. Das Bundesgericht äußert sich in seinem Urteil vom 20. Februar 2017 (6B_816/2016) zum Grundsatz „in dubio pro duriore“, wonach im Zweifelsfall Anklage erhoben werden muss. Ist eine Verurteilung wahrscheinlicher als ein Freispruch, muss die Staatsanwaltschaft Anklage erheben. Vorliegend sei die Einstellung des Strafverfahrens allerdings zu recht erfolgt.

Grundsätzlich wäre der Beschwerdeführer gar nicht zu Rechtsmitteln legitimiert gewesen, weil bei potentieller Staatshaftung keine Zivilansprüche streitig sind, auf die sich der Ausgang des Strafverfahrens auswirken könnte. Weil der Beschwerdeführer aber eine unmenschliche Behandlung durch den Staat geltend machte, hatte er einen Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz nach Art. 10 Abs. 3 BV und Art 13 EMRK (sowie weiterer völkerrechtlicher Vereinbarungen).

(Bild: Stefan Meichssner, Seebad Kühlungsborn)

 

Wenn die Behörde nichts tut, verweigert sie das Recht

Das Pflegeheim X. versichert seine Arbeitnehmer bei der Versicherung Y. gegen das Unfallrisiko.  Nachdem der Rahmenvertrag mit dem Broker weggefallen ist, unterbreitet Y. dem Pflegeheim X. einen neuen Vertrag mit schlechteren Konditionen. Eine Kündigung von X. akzeptiert Y. mit dem Hinweis nicht, bei Wegfall des Rahmenvertrages gebe es kein Kündigungsrecht. Von X. mandatiert, fordern wir Y. auf, die neuen Konditionen zu verfügen, soweit sie den obligatorischen Teil der Unfallversicherung betreffen. Wir verweisen auf Art. 124 Bst. d der Unfallversicherungsverordnung (UVV), der als lex specialis zu Art. 49 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) eine Verfügungspflicht für die Änderung in der Einreihung eines Betriebes in die Prämientarife vorsieht.

Y. verweigert aber ausdrücklich eine Verfügung. Deshalb erheben wir so genannte Rechtsverweigerungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Das Recht verweigert eine Behörde, die es ausdrücklich oder stillschweigend unterlässt, eine Verfügung zu erlassen, obwohl sie dazu verpflichtet wäre. In diesem Fall begeht sie eine formelle Rechtsverweigerung, gegen die sich der Betroffene wehren kann (Art. 29 Abs. 1 BV; Art. 56 Abs. 2 ATSG).

Das Gericht heißt die Beschwerde mit Urteil vom 13. Februar 2017 gut (C-5148_2016). Es verwirft die Einwände von Y., welche die Modalitäten dem Privatrecht unterstellen will. Das Gesetz sehe für vorliegenden Sachverhalt eine Pflicht zur Verfügung vor. Speziell zu erwähnen ist, dass Y., immerhin eine große Schweizer Versicherungsgesellschaft, trotz Hinweis auf die Säumnisfolgen weder dem Gericht die Akten eingereicht noch sich hat vernehmen lassen.

(Bild: Stefan Meichssner, Am Strand von Ahlbeck/Swinemünde, Usedom)

 

Polizist als Anzeiger, Ermittler und Zeuge in einem

Polizist P. ist privat in seinem Personenwagen unterwegs. Auf der Autobahn A2/3 vor und im Schweizerhalle-Tunnel glaubt er, unseren Mandanten M. im Nebenfahrzeug fahrend bei ca. 100 km/h beim Blättern und Lesen einer Broschüre auf dem Lenkrad gesehen zu haben. Am folgenden Tag ermittelt P. das Geschäft von M. als Halter des betroffenen Fahrzeuges und ruft diesen an. M. gibt daraufhin zu, am Vortag zu der fraglichen Zeit mit dem Fahrzeug gefahren zu sein. Als M. anschließend eine E-Mail von P. mit einer zu unterschreibenden  „Sachverhaltsanerkennung“ erhält, kontaktiert er uns. Wir raten, den Sachverhalt zu bestreiten und die Unterschrift zu verweigern.

Es beginnt ein Strafverfahren, dass erst mit einem Freispruch durch das Kantonsgericht Basel-Landschaft als zweiter Instanz endet, nachdem das Strafgericht als erste Instanz die Buße der Staatsanwaltschaft wegen einfacher Verkehrsregelverletzung noch bestätigt hatte. Das Kantonsgericht erachtet in seinem Urteil vom 1. November 2016 die Glaubwürdigkeit von P. als „angekratzt“. Dieser hatte nämlich im Vorverfahren von einer Kontrollfahrt gesprochen und dadurch den Anschein erweckt, in polizeilicher Mission unterwegs gewesen zu sein. Erst auf Nachfrage der Verteidigung gab er zu, an jenem Tag privat und alleine gefahren zu sein. Im Gegensatz dazu ist M. nach Ansicht der Kantonsrichter glaubwürdig, da er von Anfang an die Fahrt an sich zugegeben, jedoch das Lesen von Dokumenten bestritten habe.

Das Kantonsgericht hält schließlich fest, dass das Verhalten von P. mit seinen mehreren Funktionen im Hinblick auf die Ausstandsregeln von Art. 56 StPO heikel sei. Er sei als Anzeigeerstatter, Ermittler und Zeuge aufgetreten.

(Bild: Stefan Meichssner, Seebrücke von Sellin, Rügen)