Unsere Klientin ist eine ältere Frau der christlichen Minderheit aus dem Kosovo. Alle ihre Kinder sind entweder im jugoslawischen Bürgerkrieg getötet worden oder leben im Ausland, zwei Töchter mit ihren Familien in der Schweiz. Da die Frau jeweils während der Maximaldauer ihres Schengen-Visums in der Schweiz weilt und hier insbesondere ihre Enkel betreut, aber im Kosovo keine nahen Angehörigen mehr hat, sind wir beauftragt, für sie eine Aufenthaltsbewilligung zu erwirken.
Rentner können eine Aufenthaltsbewilligung erhalten, wenn sie mindestens 55 Jahre alt, besondere persönliche Beziehungen zur Schweiz besitzen und über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen (vgl. Art. 28 AIG; Art. 25 VZAE).
Die erste und letzte Voraussetzung sind bei unserer Klientin klar erfüllt. Insbesondere verfügen die beiden Kinder in der Schweiz mit ihren Erwerbseinkommen über hinreichende finanzielle Mittel für sich, ihre Familien und die nachzuziehende Mutter. Grundsätzlich müssen die Mittel die Grenze für die Berechtigung zum Bezug von Ergänzungsleistungen übersteigen (vgl. SEM, Weisungen AIG, Ausländerbereich, Stand 01. Oktober 2022, Rz. 5.3). Der Grundbedarf der Klientin reduziert sich, weil sie in der großen Wohnung einer ihrer Töchter leben kann.
Umstritten zwischen dem kantonalen Migrationsamt (MIKA) und uns ist die Voraussetzung der besonderen persönlichen Beziehungen. Wir stützen uns auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts, welches die Auffassung vertritt, dass persönliche Beziehungen zu nahen Angehörigen in der Schweiz genügten (vgl. WBE.2014.348 vom 08. Juli 2015, E. 3; vgl. die strengere Praxis des SEM und des Bundesverwaltungsgerichts: SEM Weisungen Ausländerbereich, Stand 01. Oktober 2022, Ziff. 5.3, Urteil Bundesverwaltungsgericht F-6645/2019 vom 30. August 2021, E. 4.4). Vorliegend basiert der Bezug der Klientin zur Schweiz fast ausschließlich auf ihren sehr engen verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihren Familienangehörigen in der Schweiz, die alle über ein gefestigtes Aufenthaltsrecht bzw. über die Schweizer Staatsangehörigkeit verfügen und bestens integriert sind. Dies genügt dem Verwaltungsgericht, das schließlich die Beschwerde gutheißt.
Nach Rechtskraft muss das Staatssekretariat für Migration seine Zustimmung erteilen, was aufgrund der divergierenden Rechtsauffassungen nicht selbstverständlich ist (vgl. Art. 99 AIG; Art. 85 f. VZAE; Art. 2 ZV-EJPD).