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Allgemein
Strafverteidigung in der digitalen Welt
Am Dreiländerforum Strafverteidigung vom 17./18. Mai 2019 in Solothurn gaben erstklassige Referenten Einblicke in die schier unbegrenzten technischen Möglichkeiten im digitalen Zeitalter.
Eine Schlussfolgerung: Der Strafverteidiger kann sich die Daten, die permanent über jedermann irgendwo gesammelt werden, auch zu Nutzen machen. So fallen Anzeigen wegen Sexualdelikten nicht selten in sich zusammen, wenn man den Chatverlauf der Beteiligten auf den sozialen Medien danach analysiert oder den Vorwurf mit dem vom smarten Handy des „Täters“ aufgezeichneten Ruhepuls abgleicht. Und was ist mit „Alexa“, die im intelligenten Haushalt alles aufzeichnet, Gesichter erkennt, Geräusche analysiert etc.? Stimmen die Fahrzeugdaten (Event Data Recorder), die man extern auswerten kann, mit der Anklage wegen eines SVG-Delikts überein? Warum schaut man nicht mal die zahlreichen Apps (z.B. Verlauf Google Maps) auf dem Handy durch und gleicht deren Daten mit einem vorgeworfenen Sachverwalt ab?
Heikel ist bekanntlich häufig der Anfang eines Strafverfahrens. Wie ein Tatverdacht zustande kommt und Beweise „einfließen“, ist entscheidend. Im digitalen Bereich Manipulationen aufzudecken, ist äußerst schwierig, kann aber gelingen. So kann mitunter der Fernwirkung von Beweisverboten zum Durchbruch verholfen werden (vgl. Art. 141 StPO). Irgendwie erinnert mich die Konstellation an die „operativen Vorgänge“ im Vorfeld von regulären Strafverfahren in der DDR, mit denen das MfS ohne jegliche Kontrolle „Beweise“ beschaffte, die dann plötzlich einfach da waren.
Wie der Nachrichtendienst sicherstellen will, dass er im Rahmen der Kabelaufklärung ausschließlich ausländische Informationen erlangt (vgl. Art. 39 Abs. 2 NDG), bleibt angesichts der Internationalität des Netzes ein Rätsel. Und was ist mit Informationen über Schweizer Sender und Empfänger, die von einem ausländischen Dienst erlangt und an die Schweiz weitergegeben worden sind? Immerhin kann die Beteiligung des Nachrichtendienstes auch dazu führen, dass Strafverfahren bzw. Schuldsprüche wegen fehlender Beweise (z.B. anonyme Zeugen zum Schutz der nationalen Sicherheit) verhindert werden (vgl. „Rütli-Bomber“).
Die Vorführung von IMSI-Catchern scheiterte leider, weil das Bundesamt für Kommunikation die Konzession verweigert hatte. Hinweis: Beim Einsatz von IMSI-Catchern für den Man-in-the-Middle-Angriff wird das Telefon von 4G bzw. 5G in den unverschlüsselten GSM-Modus gezwungen, was erkennbar ist.
Mittäterschaft: Mitgegangen, mitgefangen
Drei arabische Jungs aus einer Straßburger Banlieue steigen aus dem letzten S-Bahnzug aus und schlagen sich in der Folge die Zeit bis zum ersten Zug in der Früh mit Autoaufbrüchen tot. Der geständige A., den wir im Rahmen der amtlichen Verteidigung betreuen, hat zwar am wenigsten auf dem Kerbholz, doch wird er letztlich ähnlich bestraft wie seine Kumpels B. und C., welche jeweils zur Tat geschritten sind. Die Staatsanwaltschaft geht von Mittäterschaft aus.
Mittäterschaft bedeutet gleichwertiges, koordiniertes Zusammenwirken mehrerer Personen bei der Begehung einer strafbaren Handlung. Das Bundesgericht bezeichnet als Mittäter, wer bei der Entschließung, Planung oder Ausführung eines Delikts vorsätzlich und in maßgebender Weise mit anderen Tätern zusammenwirkt, so dass er als Hauptbeteiligter dasteht. Eine physische Mitwirkung ist dabei nicht zwingend; vielmehr genügt eine starke Rolle als Drahtzieher, mit der die gesamte Deliktsbegehung steht oder fällt. Eine Tatherrschaft ist ebenfalls nicht erforderlich, wobei die Rechtsprechung diesbezüglich unklar ist. Immerhin reicht der bloße Wille mitzuwirken ohne effektives Mitmachen bei Entschließung oder Planung auf der subjektiven Seite nicht aus (vgl. BGE 135 IV 155, BGE 130 IV 66).
Vorliegend genügt es, dass A. zusammen mit den beiden anderen B. und C. „irgendwie“ beschlossen hat, die Zeit in dem nächtlichen Dorf mit Autoaufbrüchen zu verbringen und bei den konkreten Taten jeweils auf der Straße „Schmiere“ gestanden hat, ohne die Autos zu berühren. Für Mittäterschaft spricht insbesondere, wenn die Täter die Beute anteilsmäßig aufteilen, wie die drei es vorliegend konkludent abgemacht haben, weil jeder sich aus dem Erlös Getränkedosen und dergleichen hätte kaufen können.
Die Mittäterschaft ist abzugrenzen von der blossen Beteiligung in der Gestalt der Anstiftung (Art. 24 StGB) und der Gehilfenschaft (Beihilfe; Art. 25 StGB).
Mediation – der günstige und selbstbestimmte Weg zur Konfliktbeilegung
Gerichtsverfahren bringen selten den erwünschten Erfolg. Bei familienrechtlichen Streitigkeiten gibt es letztlich nur „lose-lose“-Situationen. Selbst bei Forderungsangelegenheiten sind Gerichtsverfahren schon wegen der Kosten und der Dauer belastend und auch bei guter Ausgangslage risikobehaftet. Der Staat schafft es mit seiner trägen und teuren Justiz immer weniger, den Rechtssuchenden innerhalb nützlicher Zeit für moderate Gebühren eine pragmatische Lösung anzubieten. Für viele Anwälte steht das Honorar im Vordergrund, das sich häufig nach dem Zeitaufwand berechnet, was gegen schnelle Lösungen spricht. Auch ein normaler Prozess kann über mehrere Instanzen mehrere Jahre dauern.
Als Alternative bietet sich die Mediation an. Mediation meint strukturiertes, freiwilliges Verfahren zur konstruktiven Beilegung eines Konfliktes, bei dem unabhängige Dritte die Konfliktparteien in ihrem Lösungsprozess begleiten. Die Konfliktparteien versuchen dabei, zu einer gemeinsamen Vereinbarung zu gelangen, die ihren Bedürfnissen und Interessen entspricht. Der Dritte trifft keine eigenen Entscheidungen bezüglich des Konflikts, sondern ist lediglich für das Verfahren verantwortlich. Ob und in welcher Form ein Mediator selbst überhaupt inhaltliche Lösungsvorschläge macht, ist je nach Ausrichtung der Mediation unterschiedlich.
In einem Fall mit einem Ehepaar mit mehreren Kindern konnten wir im Rahmen der Mediation eine umfassende Scheidungskonvention außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens erzielen. Die Eheleute trafen sich in mehreren Sitzungen unter unserer Anleitung. Wir vermittelten zwischen den unterschiedlichen Positionen und führten die Eheleute an die Lösung der zu regelnden Punkte wie Kinder, Unterhalt und Güterrecht heran. Für das Haus konnte mit Einbezug der Bank und Pensionskasse und unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der minderjährigen Kinder eine zweckmäßige Lösung über den Tag der Scheidung hinaus gefunden werden. Auch wenn wir aufgrund unseres juristischen Sachverstands Lösungsvorschläge machten, waren es stets die Eheleute, die ohne äußeren Druck durch Gegenanwalt und Gericht gemeinsam entschieden. So entstand eine „win-win“-Situation, bei der wir ganz am Schluss die von beiden unterzeichnete Scheidungskonvention beim Gericht einreichen konnten. Das Gericht musste die Konvention zu einer reduzierten Gebühr „nur“ noch absegnen; zu der Anhörung mussten wir unsere Mandanten nicht einmal begleiten.
Die Kosten sind zwar auf den ersten Blick hoch – mehr als ein durchschnittliches Monatsgehalt -, doch in Relation zu den potentiellen Kosten in einem streitigen Verfahren mit zwei Anwälten über mehrere Instanzen sind sie gering – und vor allem von den Parteien selbst steuerbar.
(Foto: Stefan Meichssner, Athabasca Falls, Alberta/Canada, Oct. 2003)
Engagement zugunsten „Oktopus für Frühchen“
Wir setzen uns häufig für die Schwachen der Gesellschaft ein. Dieses Mal gilt unser Engagement pro bono für die Allerschwächsten. Für die Aktion „Oktopus für Frühchen“ häkeln wir vier Kuschel-Tintenfische. Die Aktion hat sich zum Ziel gesetzt, jedem Frühchen einen gehäkelten Tintenfisch zu schenken. Dieser erleichtert den Start ins Leben. Die Tintenfische „Minion“, „Blue“, „Miss Green“ und „Pirat“, abgegeben in der Nadelwärkstatt Unterentfelden, werden in der Tagesschau des SRF 1 vom 10. Februar 2018 gezeigt.
Keine tiefere IV-Rente bei Soziallohn durch Arbeitgeberin
Wird ein Angestellter krank und ist langfristig nicht mehr in der Lage, seine vertraglich vereinbarte Arbeit zu erledigen, kann die Arbeitgeberin auf unterschiedliche Weise damit umgehen. Sie kann nach Ablauf der gesetzlichen Sperrfristen das Arbeitsverhältnis einseitig auflösen, also kündigen. Sie kann sich aber auch dafür entscheiden, dem Angestellten eine neue, dem gesundheitlich zumutbaren Leistungsprofil entsprechende Tätigkeit anzubieten, verbunden mit einem ebenfalls angepassten Salär (dies kann mittels Änderungskündigung oder durch Vereinbarung umgesetzt werden). Die Arbeitgeberin kann aber auch bewusst auf eine Vertragsanpassung verzichten und trotz gesundheitlich bedingter Leistungseinbusse des Angestellten weiterhin das gleiche Gehalt ausrichten. Jener Teil des Lohnes, der nicht mehr der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entspricht, nennt man Soziallohnkomponente.
Sozialversicherungsrechtlich ist es wichtig, eine Soziallohnkomponente zu erkennen. Die IV-Grad-Berechnung als Grundlage für eine IV-Rente vergleicht das sog. Validen- mit dem sog. Invalideneinkommen, d.h. es wird die Erwerbseinbuße ermittelt, die dadurch resultiert, dass ein Angestellter mit der gesundheitlichen Einschränkung nicht mehr so viel verdienen kann wie als gesunder Arbeitnehmer. Maßgebend für das Invalideneinkommen ist grundsätzlich das zuletzt tatsächlich (und in gesundheitlicher Hinsicht zumutbar) erzielte Einkommen. Bei einer Soziallohnkomponente ist das Invalideneinkommen zu hoch, die Erwerbseinbuße zu klein und damit der IV-Grad zu tief. Richtigerweise muss die Soziallohnkomponente vom Invalideneinkommen abgezogen werden, wodurch ein höherer IV-Grad resultiert.
Um eine Soziallohnkomponente zu erkennen, fragt die IV-Stelle bei der aktuellen oder letzten Arbeitgeberin mittels standardisiertem Fragebogen nach, ob der ausbezahlte Lohn der tatsächlichen Leistung entspricht. Wird dies verneint, darf die IV-Stelle dies nicht einfach übergehen und die Glaubwürdigkeit der von der Arbeitgeberin gemachten Angaben pauschal anzweifeln. Vielmehr hat sie in freier Beweiswürdigung zu entscheiden und zu begründen, weshalb sie unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einer Soziallohnkomponente ausgeht oder aber eine solche verneint.
Die Soziallohnkomponente allein gestützt auf eine Einschätzung eines RAD-Arztes zu verneinen, der in seiner Stellungnahme die Aussagen der Arbeitgeberin übergeht und/oder negiert und daraus gar in Abweichung der Einschätzung anderer Fachärzte Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit des Angestellten ziehen will, ist unzulässig. Ein solches Vorgehen wird von den Gerichten nicht geschützt.
(Foto: Rockefeller Center New York City, Stefan Meichssner, October 2017)
Rechtsprechung zu IV-Renten bei Depressionen geändert
Leichte bis mittelgradige depressive Störungen wurden von der Invalidenversicherung bisher als nicht invalidisierende und damit als nicht versicherte Krankheiten taxiert. IV-Renten gab es einzig dann, wenn die depressive Problematik mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als therapieresistent eingestuft wurde.
Das Bundesgericht hinterfragte nun aber seine bisherige Praxis und verabschiedete sich von ihr mit Urteil 8C_841/2016 vom 30. November 2017. Künftig ist auch bei leichten bis mittelschweren Depressionen ein strukturiertes Beweisverfahren anhand des mit BGE 141 V 281 für psychosomatische Leiden eingeführten Indikatorenkatalogs durchzuführen. Aus medizinischer Sicht können, so das Bundesgericht, funktionelle Beeinträchtigungen durch somatoforme/funktionelle Störungen und durch solche depressiver Natur gleich groß sein. Die Objektivier- und Beweisbarkeit seien bei der Feststellung somatoformer Störungen und vergleichbarer Leiden eingeschränkt, worin sie sich aber nicht von anderen psychischen Störungen unterscheiden würden. Durch die Verwendung des Indikatorenkatalogs soll einerseits die Frage beantwortet werden können, ob und wie sich die lege artes diagnostizierte Krankheit leistungsmindernd auswirkt. Andererseits sollen auch sog. reaktive psychosoziale Belastungsfaktoren als invaliditätsfremdes Geschehen von der gesundheitlichen Beeinträchtigung abgegrenzt werden können. Verlauf und Ausgang von Therapien gelten dabei als wichtige Indikatoren für den Schwergrad der Erkrankung (Kategorie «funktioneller Schweregrad») und für den Leidensdruck durch Inanspruchnahme oder Verweigerung von therapeutischen Optionen (Kategorie «Konsistenz»), sind aber keine absoluten Ausschlusskriterien mehr.
Im Einzelfall dürfen die IV-Stellen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf die Verwendung des Indikatorenkatalogs und damit auf die Durchführung des strukturierten Beweisverfahrens verzichten, z.B. wenn im Rahmen beweiswertiger fachärztlicher Berichte eine Arbeitsunfähigkeit in nachvollziehbar begründeter Weise verneint wird und allfälligen gegenteiligen Einschätzungen mangels fachärztlicher Qualifikationen oder aus anderen Gründen kein Beweiswert beigemessen werden kann.
Mit der Änderung seiner Rechtsprechung besinnt sich das Bundesgericht auf den in der Invalidenversicherung geltenden Grundsatz, wonach die Therapierbarkeit eines Leidens dem Eintritt einer rentenbegründenden Invalidität nicht absolut entgegensteht. Denn die Behandelbarkeit sagt für sich alleine betrachtet nichts über den invalidisierenden Charakter einer psychischen Störung aus. Entscheidend ist, ob es der versicherten Person zumutbar ist, eine Arbeitsleistung zu erbringen, was nach einem weitgehend objektiven Maßstab zu beurteilen ist (BGE 139 V 547 ff. E. 5.2, vgl. auch Art. 7 Abs. 2 ATSG). Die Kunst, die Leistungseinschränkung bei psychosomatischen Leiden und bei leicht- bis mittelgradig depressiven Störungen zu objektivieren und von psychosozialen Belastungsfaktoren abzugrenzen, wird allerdings auch in Zukunft sowohl Ärzte als auch Versicherte und ihre Anwältinnen vor Herausforderungen stellen.
(Foto: Polizeipräsenz in New York City, Stefan Meichssner, Oktober 2017)
Gesetzliche Neuerungen bei der Schwarzarbeit
Ab 1. Januar 2018 können gemäß revidiertem Bundesgesetz über Maßnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (BGSA) die Sozialhilfebehörden, die Einwohnerkontrolle und das Grenzwachtkorps die für die Schwarzarbeit zuständigen Organe, also das kantonale Migrationsamt, über Hinweise auf Schwarzarbeit informieren. Außerdem sollen Missbräuche beim vereinfachten Abrechnungsverfahren mit der Ausgleichskasse unterbunden werden, indem z.B. Kapitalgesellschaften, Genossenschaften sowie im eigenen Betrieb mitarbeitende Ehegatten und Kinder ausgeschlossen werden. Ihnen steht künftig unabhängig von der Lohnsumme nur noch das ordentliche Verfahren zur Abrechnung der AHV-Beiträge mit der zuständigen Ausgleichskasse offen.
Beim vereinfachten Abrechnungsverfahren können nebst den ordentlichen Sozialversicherungsbeiträgen auch die Steuern der Angestellten mit der zuständigen Ausgleichskasse abgerechnet werden. Akontorechnungen entfallen, weil die Abrechnung einmal jährlich aufgrund der definitiven Lohndeklaration erfolgt. Das vereinfachte Abrechnungsverfahren steht grundsätzlich Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern offen, deren Löhne der einzelnen Mitarbeitenden pro Jahr CHF 21150 nicht übersteigt, deren gesamte Lohnsumme pro Jahr unter CHF 56400 liegt, bei denen sämtliche Löhne im vereinfachten Verfahren abgerechnet werden und welche die Abrechnungs- und Zahlungsverpflichtungen ordnungsgemäß einhalten.
(Foto: Auf dem Laugarvegur zwischen Hrafntinnusker und Alftavatn, Island, Stefan Meichssner, August 2017)
Invalidenversicherung: Bundesgericht pfeift IV-Detektive zurück
Wie schon die Unfallversicherung verfügt auch die Invalidenversicherung über keine genügende gesetzliche Grundlage, um ihre Versicherten mittels Detektiven observieren zu lassen. Dies entschied das Bundesgericht in seinem Entscheid 9C_806/2016 vom 14. Juli 2017. Im Nachgang zu dem höchstrichterlichen Urteil wies das Bundesamt für Sozialversicherungen als Aufsichtsbehörde die IV-Stellen an, vorläufig keine Observationen mehr anzuordnen und laufende Überwachungen zu beenden.
Im Rahmen der laufenden Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (ATSG) soll die fehlende gesetzliche Grundlage geschaffen werden, damit Bezügerinnen und Bezüger von IV-Leistungen (z.B. IV-Renten, Hilflosenentschädigungen etc.), die von den IV-Stellen des missbräuchlichen Leistungsbezugs verdächtig werden, wieder observiert werden dürfen.
(Foto: Surveillance camera, Times Square New York City, Stefan Meichssner, October 2017)
Architektenvertrag: Auftrag oder Werkvertrag?
Die rechtliche Einordnung des Vertrags des Architekten mit seinem Auftraggeber ist Gegenstand einer langen Kontroverse. Dies rührt daher, dass er als Planervertrag gesetzlich nicht geregelt ist. Er kann verschiedene baubezogene Leistungen beinhalten, z.B. Erstellung eines Kostenvoranschlages, Zeichnung von Plänen und Skizzen, Bauleitung und Vergabe von Arbeiten.
Entgegen Art. 394 Abs. 2 OR sind Planerverträge nicht automatisch einfache Aufträge, sondern unterstehen einzelne Leistungen dem Recht des Auftrags, andere sind als Werkverträge einzustufen. Für das Bundesgericht ist für die Abgrenzung das Kriterium der Überprüfbarkeit des Arbeitserfolges zentral: Ein Kostenvoranschlag kann (nachträglich) überprüft werden, die Bauleitung nicht.
Der globale Planervertrag, der sämtliche Planleistungen verschiedener Fachrichtungen für ein Bauvorhaben in einem Dokument enthält (Planung, Bauleitung, Erstellen Kostenvoranschlag, Vergabe von Bauarbeiten) gilt gemäß bundesgerichtlicher Rechtsprechung und einem Teil der Lehre als gemischter Vertrag. Die Fiktion eines Gesamtvertrages ist jedoch trügerisch, da auch das Bundesgericht eine „Spaltung“ der Rechtsfolgen je für auftragstypische und werkvertragstypische Leitung vorsieht. Nur die vorzeitige Auflösung des Gesamtvertrages will das Bundesgericht auf jeden Fall dem Auftragsrecht und damit insbesondere dem jederzeitigen Kündigungsrecht von Art. 404 OR unterstellen. Ein anderer Teil der Lehre will den Planer-Gesamtvertrag ungeteilt dem Auftragsrecht unterstellen. Also nicht nur die vorzeitige Auflösung, sondern generell sollen sich die Rechte und Pflichten und insbesondere die Haftung nach den Regeln des einfachen Auftrags bestimmen. Die Gesamttätigkeit sei qualitativ mehr als bloß die Summe der Teilleistungen. Unabhängig davon, ob einzelne Arbeitserfolge wie z.B. Pläne geschuldet seien, richte sich die Arbeit des Architekten auf eine geistige Gesamttätigkeit, durch die zur Errichtung der Baute beigetragen wird, die jedoch nicht das Werk als Erfolg schuldet.
Fazit: Es ist nach wie vor unklar, welche gesetzlichen Regeln im Streitfall auf den Planervertrag Anwendung finden. Mit kluger Vertragsgestaltung kann diesen Unsicherheiten teilweise begegnet werden. Nicht möglich ist zwar eine rechtliche Qualifikation als Auftrag oder Werkvertrag durch die Parteien selbst; denn die rechtliche Qualifikation muss das Gericht von Amtes wegen vornehmen, unabhängig von der falschen oder unpräzisen Bezeichnung des Vertrages durch die Parteien. Zulässig ist jedoch, in den Schranken des Gesetzes Abweichungen von den dispositiven Gesetzesbestimmungen zu vereinbaren. Beispielsweise ist es möglich, einen Werkvertrag ausnahmsweise der jederzeitigen auftragsrechtlichen Kündigungsmöglichkeit nach Art. 404 OR zu unterstellen. Auch ist nicht von der Hand zu weisen, dass bei einer konsequenten Bezugnahme auf einen Vertragstypus die spätere richterliche Auslegung beeinflusst werden kann.
Für unsere Mandantschaft erstellen wir die nötigen Dokumente für Planerverträge. Die zahlreichen Muster und Allgemeinen Bedingungen auf dem Markt (SIA, KBOB etc.) dienen als Vorlagen, die wir auf die individuellen Bedürfnisse abstimmen.
(Bild: Financial District New York City, Stefan Meichssner, Oktober 2017)