Zweistufige Methode bei Kinderunterhalt

Das Bundesgericht stellt mit Urteil 5A_311/2019 vom 11. November 2020 einheitliche Grundsätze für die Berechnung des gebührenden Kinderunterhalts auf, indem es fortan die Berechnung des Kinderunterhalts nach der sog. zweistufigen Methode anordnet. Das Oberste Gericht hält weiter fest, dass beide Elternteile grundsätzlich ein jeder nach seinen Kräften für den in Form von Pflege, Erziehung und Geld zu erbringenden Unterhalt sorgen (vgl. Art. 276 ZGB).

Steht das Kind unter der alternierenden Obhut der Elternteile, sind die finanziellen Lasten bei ähnlicher Leistungsfähigkeit umgekehrt proportional zu den Betreuungsanteilen zu tragen. (vgl. Urteil 5A_727/2018 vom 22. August 2019), bei je hälftigen Betreuungsanteilen proportional zur Leistungsfähigkeit (vgl. Urteil 5A_743/2017 vom 22. Mai 2019) und bei gleichzeitig asymmetrischen Betreuungsumfang und Leistungsgefälle der sich daraus ergebenden Matrix. So sind die Kindesunterhaltsbeiträge bei gleichen Betreuungsanteilen nach Massgabe der jeweiligen Leistungsfähigkeit auf die Eltern aufzuteilen und bei gleicher Leistungsfähigkeit nach Maßgabe der Betreuungsanteile. Eine Korrektur muss jedoch erfolgen, wo der mehrheitlich betreuende Elternteil leistungsfähiger ist als der andere.

Noch vor Publikation dieses Leitentscheides finden unsere Mandanten im Rahmen einer mediativ ausgehandelten Scheidungskonvention eine diesen Grundsätzen entsprechende Lösung. Sie vereinbaren die alternierende Obhut und den Kinderunterhalt unter Berücksichtigung ihrer Betreuungsquoten und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.

Neue Kampagne lanciert

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Krankentaggelder und IV

Die Taggeldversicherung stellt ihre Leistungen ein, nachdem die Invalidenversicherung (IV) ihre Leistungspflicht mit Vorbescheid verneint hat. Grund ist, dass die IV eine volle medizinisch-theoretische Arbeitsfähigkeit in einer Verweistätigkeit und keine genügende Erwerbseinbuße feststellt.

Die Taggeldversicherung richtet ihre Leistungen wieder aus, nachdem wir sie darauf hingewiesen haben, dass erstens keine Bindungswirkung zwischen dem IV-Entscheid und der Taggeldversicherung bestehe und dass sie sich zweitens nicht voraussetzungslos auf die Schadenminderungspflicht berufen kann.

Die Taggeldzahlungen darf ihre Leistungen nicht einzig mit Verweis auf den negativen IV-Entscheid einstellen. Anders als die IV, welche die Erwerbsunfähigkeit versichert und die medizinisch-theoretische Arbeitsfähigkeit in einer Verweistätigkeit von Anfang an berücksichtigt, ist die Taggeldversicherung an die Arbeitsfähigkeit gebunden, die sich auf die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit bezieht. Das medizinisch-theoretisch zumutbare Belastbarkeitsprofil darf die Taggeldversicherung erst nach langer Dauer der Arbeitsfähigkeit mitberücksichtigen. Die Taggeldversicherung darf sich nicht voraussetzungslos auf die Schadenminderungspflicht des Arbeitnehmers berufen. Sie muss dem Arbeitnehmer zu einem Berufswechsel auffordern und ihm eine angemessene Anpassungszeit einräumen. Dabei muss sie konkret zumutbare Stellen nennen und aufzeigen, dass diese auch tatsächlich verfügbar sind. Anders als die IV darf sie sich dabei nicht auf den ausgeglichenen, sondern muss sich auf den konkreten Arbeitsmarkt beziehen.

Auch nach Vollzug des Berufwechsels, also wenn der Arbeitnehmer eine neue Stelle gefunden hat, erlischt die Leistungspflicht der Taggeldversicherung nicht automatisch. Die Taggeldversicherung muss den Anspruch auf ein sogenanntes Resttaggeld prüfen, wenn der Arbeitnehmer in der neuen Stelle im Vergleich zur ursprünglichen (und versicherten) Stelle weniger verdient. Die höheren Anforderungen an die Schadenminderungspflicht sind unter anderem in der klar definierten und relativ kurzen Leistungsdauer begründet.

Unterhaltsvertrag als provisorischer Rechtsöffnungstitel

Bei der Trennung halten die Eheleute in einer schriftlichen Vereinbarung u.a. fest, dass der Mann für die Kinder monatlich einen bestimmten Unterhaltsbetrag an die Mutter bezahlt. Ein Jahr später kürzt der Mann den Betrag einseitig, weil die Frau nun angeblich mehr verdiene. Als Vertretung der Frau fordern wir den Mann auf, die Differenz nachzubezahlen oder alternativ eine gerichtliche Anpassung des Unterhalts zu erwirken. Im Übrigen lebe er neu in einer lebensähnlichen Gemeinschaft, was seinen Bedarf reduziere und den geringen Mehrverdienst der Frau egalisiere.

Als nichts geschieht und der Mann nicht einmal mehr das gemeinsame Scheidungsbegehren unterzeichnen will, betreiben wir ihn für die Differenzbeträge. Anstatt rasch eine gerichtliche Klärung mittels Eheschutzbegehren zu erwirken, wehrt er sich und erhebt Rechtsvorschlag (Art. 74 SchKG). Das veranlasst uns, für die Frau und Unterhaltsgläubigerin ein Begehren um provisorische Rechtsöffnung zu stellen (Art. 82 SchKG). Das Rechtsöffnungsverfahren ist eine schweizerische Besonderheit und ermöglicht es dem Gläubige, in einem sehr schlanken, schnellen  und kostengünstigen Verfahren – im summarischen Verfahren (vgl. Art. 251 ZPO) – die Zwangsvollstreckung zu erwirken. Es setzt aber voraus, dass mindestens eine schriftliche Schuldanerkennung des Schuldners vorliegt, in der er sich bedingungslos zur Zahlung eines bestimmten Betrages an den Gläubiger verpflichtet. Bei vollkommen zweiseitigen Verträgen stehen dem Schuldner allerdings mehrere Einwendungen offen, welche die Vorteile der Rechtsöffnung schmälern.

Der Mann wendet ein, nach dem Berner Kommentar (1999) und gemäß einer Entscheidung des Aargauer Obergerichts (2003) könne er jederzeit einseitig erklären, sich nicht mehr an die Unterhaltsverpflichtung zu halten; er sei nur auf Zusehen hin daran gebunden. Er übersieht freilich den entscheidenden Punkt: Hat er sich einmal schriftlich verpflichtet, muss er selbst aktiv werden, um den seiner Meinung nach nicht mehr angemessenen Unterhaltsbetrag anpassen zu lassen. Die Möglichkeit, einseitig zurückzutreten, meint nur, dass der Mann den Unterhaltsbetrag für die Zukunft entweder mit einer einvernehmlichen Regelung mit der Frau oder aber durch Gerichtsurteil anpassen kann. Das Bundesgericht hat dies mehrfach bestätigt und die vom Mann zitierte Meinung im Berner Kommentar verworfen (vgl. Bundesgerichtsurteil 5A_372/2014 vom 23. Oktober 2014, E. 2.5).

Die Rechtsöffnungsrichterin im Kanton Solothurn teilt unsere Auffassung und heißt das Rechtsöffnungsbegehren für die Frau gut. Der Mann muss bis auf weiteres die ursprünglich vereinbarten Unterhaltsbeiträge bezahlen und kann im Bedarfsfall monatlich neu betrieben werden.