Befristung der IV-Rente verhindert

Die Invalidenversicherung verfügt eine auf ein paar wenige Monate befristete Rente. Sie stützt sich auf Arztberichte, die gravierende Rücken- und Hüftleiden ausweisen. Die IV-Ärzte widersprechen den behandelnden Fachärzten zwar nicht, schreiben die Versicherte aber für die Zukunft gesund. Nach einer kurzen Übergangsphase, so die IV-Ärzte, sei die Versicherte für leichte, angepasste  Tätigkeiten wieder voll arbeitsfähig. Die IV-Stelle nimmt diese Prognose für bare Münze und verfügt daraufhin eine befristete Rente.

Wir erheben für die Versicherte Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht. Für Versicherte mit Wohnsitz im Ausland ist nicht wie üblich die kantonale IV-Stelle, sondern die Zentrale Ausgleichskasse in Genf zuständig (Art. 40 IVV). Deren Verfügungen sind beim Bundesverwaltungsgericht mittels Beschwerde anfechtbar (Art. 69 Abs. 1 Bst. b IVG; Art. 31 ff. VGG).

Das Bundesverwaltungsgericht heißt die Beschwerde gut und ordnet im Urteil vom 16. Mai 2018 (C-4828_2017) die Weiterführung der Rente als unbefristete Rente an. Das Bundesverwaltungsgericht stellt klar, dass das Vorgehen der IV nicht zulässig ist.  Statt auf eine Prognose abzustellen, hätte die IV eine unbefristete Rente zusprechen müssen. Die Richtigkeit der Prognose der IV-Ärzte , so das Bundesverwaltungsgericht, wäre revisionsweise zu überprüfen gewesen. Das Gericht spricht eine unbefristete 3/4-Rente zu und weist zudem die IV-Stelle an, die mittlerweile eingetretene gesundheitliche Verschlechterung der Versicherten von Amtes wegen abzuklären. Die IV-Stelle hat sich bis dahin mit Verweis auf das laufende Gerichtsverfahren geweigert, die geltend gemachte Verschlechterung abzuklären.

 

 

Festnahme nach aktiver Telefonüberwachung

Die Strafprozessordnung sieht in Art. 269 ff. StPO geheime Überwachungsmaßnahmen zur Aufklärung schwerer Straftaten vor. Die organisatorischen und technischen Bestimmungen dazu finden sich im Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF).

So kann bei dringendem Tatverdacht hinsichtlich einer der aufgeführten Straftaten (Katalogtat; Art. 269 Abs. 2 StPO) die Telekommunikation aktiv in Echtzeit überwacht werden, soweit die Tatschwere dies als verhältnismäßig erscheinen lässt und bisherige Maßnahmen nicht erfolgreich waren. Diese einschneidende Maßnahme wird in der Schweiz relativ häufig angeordnet, 60x häufiger pro 100.000 Einwohner als in den USA, aber nur halb so oft wie in Italien mit seinem spezifischen Mafia-Problem. Die Staatsanwaltschaft muss das Zwangsmaßnahmengericht maximal 24 Stunden nach der Anordnung um Genehmigung ersuchen. Das Zwangsmaßnahmengericht muss die Überwachung innerhalb von 5 Tagen seit deren Anordnung genehmigen (vgl. Art. 272  und Art. 274 StPO). Die Maßnahme muss dem Betroffenen spätestens am Ende des Vorverfahrens mit der Parteimitteilung nach Art. 318 StPO mitgeteilt werden, was ihm die Beschwerdemöglichkeit eröffnet (Art. 279 StPO). Ob und wieweit die Unverwertbarkeit der gewonnenen Erkenntnis bei unterlassener Beschwerde auch noch im Hauptverfahren geltend gemacht werden kann, ist umstritten. Die Rechtmäßigkeit der Maßnahme an sich kann vor dem Sachrichter nicht mehr in Frage gestellt werden, der Beweiswert der Erkenntnisse hingegen schon  (vgl. Art. 279 Abs. 3 StPO; BGE 140 IV 40 ff.; Th. Hansjakob, Überwachungsrecht der Schweiz, 2017, Rz. 1310 ff.).

Die bloße Erhebung von Randdaten (mit wem, wann, wie lange und wo die überwachte Person Verbindungen hat oder bis 6 Monate rückwirkend hatte) ist hingegen gemäß Art. 273 StPO auch außerhalb der Katalogtaten, also nach den allgemeinen Regeln für Zwangsmaßnahmen grundsätzlich bei allen Vergehen und Verbrechen und sogar für die Übertretung von Art. 179septies StGB zulässig. Der Verhältnismäßigkeitsprinzip entfaltet hier eine stärkere Bedeutung.

In unserem Fall fungieren wir als notwendige amtliche Verteidigung für einen mutmaßlichen Serien-Einbrecher aus Osteuropa. Die Staatsanwaltschaft fahndet aufgrund von DNA-Spuren schon seit Jahren nach dem vorbestraften Mann. Eine aktive Überwachung führt tatsächlich zum „Erfolg“: Der Mann wird im Kanton Luzern festgenommen, nachdem er seine Ankunft telefonisch, wenn auch verklausuliert, angekündigt hat.

Auch Dolmetscher müssen unbefangen sein

In einem Strafverfahren gegen einen Nordafrikaner wegen Vermögensdelikten fungieren wir als notwendige amtliche Verteidigung. In dem durchschnittlichen Fall können sich Mandant und Verteidigung zunächst gut in der gemeinsamen ersten Fremdsprache Französisch unterhalten. Für die zentrale Besprechung bieten wir jedoch eine Arabisch-Dolmetscherin auf, die uns wertvolle Dienste leistet.

Anlässlich der Hauptverhandlung sind wir erstaunt, dass dieselbe Dolmetscherin vom Gericht zur Übersetzung aufgeboten worden ist. Wir stellen daher im Rahmen der Vorfragen (vgl. Art. 339 Abs. 2 StPO) den Antrag, die Dolmetscherin sei wegen Befangenheit auszuwechseln. Wir weisen das Gericht darauf hin, dass es sich bei der Dolmetscherin um „eine in einer Strafbehörde tätige Person“ im Sinne von Art. 56 StPO handle. Weil die Dolmetscherin zuvor aufgrund eines privaten Auftrags der Verteidigung tätig geworden sei und dabei vertrauliche Informationen mitbekommen habe, sei sie für die Hauptverhandlung bei objektiver Betrachtung befangen.

Das Gericht heißt den Antrag gut. Die Hauptverhandlung wird unterbrochen, allerdings nur für eine Stunde, bis ein neuer, unabhängiger Arabisch-Dolmetscher eintrifft. Weil das Gericht die Befangenheit rasch beseitigen kann, entsteht auch kein Problem wegen des drohenden Ablaufs der Sicherheitshaft (vgl. Art. 220 Abs. 2 StPO) mit dem Tag der Hauptverhandlung. Noch rechtzeitig kann die Hauptverhandlung durchgeführt, das Urteil eröffnet und anschließend der Beschuldigte wie erwartet auf freien Fuß gesetzt werden.

Unbegründete UV-Prämienerhöhung verhindert

In der Schweiz wird die Sozialversicherung häufig nicht vom Staat, sondern von privaten Unternehmen vollzogen. So ist es auch in unserem Fall, wo die Mandantin ihre Arbeitnehmenden bei einem großen Versicherer gegen die Risiken von Unfällen und Berufskrankheiten gemäß Unfallversicherungsgesetz (UVG) versichern lässt. Der Vertrag wird von einer Brokerin vermittelt; die Mandantin profitiert aufgrund eines Rahmenvertrages von günstigen Konditionen. Als der Versicherer den Rahmenvertrag kündigt, stellt er sich auf den Standpunkt, die günstigen Konditionen für die einzelnen Versicherungsnehmer würden nun nicht mehr gelten. Er stuft die Mandantin in der Folge auf den nächsten Verfall in einen neuen, höheren Tarif ein, verlangt deutlich höhere Prämien und verweigert gleichzeitig ein Kündigungsrecht.

Wir erheben beim Versicherer Einsprache und gelangen anschließend mit Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht. Dieses heißt die Beschwerde mit Urteil vom 12. April 2018 gut. Die Hauptthematik betrifft die Parallelität von privatem Versicherungsrecht und öffentlichem Sozialversicherungsrecht. Der Versicherer argumentiert fast durchweg aus einer privatrechtlichen Optik, vergisst dabei jedoch die Grundsätze des Verfassungs- und Verwaltungsrechts wie namentlich die Rechtsgleichheit, das Willkürverbot und den Anspruch auf rechtliches Gehör. So kann er keine triftigen Gründe für die Neutarifierung mitten in der Vertragsdauer zu Beginn eines neuen Versicherungsjahres aufzeigen (vgl. Art. 92 Abs. 5 UVG). Weder mathematisch-statistische Erkenntnisse noch sekundäre Risikomerkmale vermag er hinreichend zu begründen, ja er legt nicht einmal die Grundlagen und die Tarife offen, auf die sich seine neuen Prämien stützen. Das führt dazu, dass das Gericht den Einspracheentscheid wegen Verletzung der Begründungspflicht (rechtliches Gehör; Art. 29 Abs. 2 BV) aufhebt.

In zwei identischen Beschwerdeverfahren, die ebenfalls von uns betreut werden,  hat das Bundesverwaltungsgericht inzwischen gleichlautende Urteile gefällt.

Strafverfahren wegen versuchtem Kuss

Die Eheleute A. sind seit ein paar Monaten getrennt. Die Frau lässt keine Gelegenheit aus, ihren Mann zu schikanieren und zu demütigen. Regelmäßig kommt es bei der Übergabe des Sohnes zu wüsten Szenen. Mit einem dieser Vorfälle musste sich die Polizei, die Opferhilfe, die Staatsanwältin, der Verteidiger und das Gericht beschäftigen. Ein Wunder, dass nicht auch noch die Presse diesen Fall aufgriff. Das kam so.

Der Mann beschließt nach ausgeübtem Besuchsrecht, zusammen mit dem gemeinsamen Sohn seine Noch-Frau zu überraschen. Anstatt den Sohn zu Hause abzuliefern, will er ihn direkt der Frau übergeben. Die Frau arbeitet als Verkäuferin bei einem Discounter. Der Sohn rennt nach Schichtende im Parkhaus auf seine wenig begeisterte Mutter zu und umarmt sie. Der Mann meint, er dürfe das auch, fasst seine Frau an den Oberarmen und umarmt sie ebenfalls. Das mag sie aber nicht, sie stößt ihn weg. Der Kuss, den der Mann eigentlich geplant hatte, kommt folglich nicht zustande. Wie eine Furie steigt die Frau daraufhin mit dem Sohn ins Auto und versucht wegzufahren. Beim Ausparken rammt sie den Pfeiler, was ihre Stimmung nicht gerade hebt.  Weil sich die Frau anschließend nicht mehr meldet, macht sich der Mann Sorgen und meldet sich bei der Polizei.

Das hätte er besser sein lassen. Die Ermittlungen führen nämlich zu einem Strafbefehl wegen Tätlichkeiten (Art. 126 StGB) und sexueller Belästigung (Art. 198 StGB). Auf unser Anraten erhebt der Mann selbst erst einmal Einsprache gegen den Strafbefehl, wozu ein kurzes Einschreiben innerhalb von zehn Tagen genügt; als beschuldigte Person muss der Mann seine Einsprache nicht begründen (Art. 354 StPO).

Wie fast immer in solchen Fällen überweist die Staatsanwaltschaft daraufhin den Strafbefehl ans Gericht. Mit der Verteidigung beauftragt, verlangen wir für die Hauptverhandlung die Einvernahme der Frau als Straf- und Zivilklägerin (Art. 338 Abs. 1 StPO). Unter Hinweis auf die Befragung im Vorverfahren wird die Frau indes von der Teilnahme an der Hauptverhandlung freigestellt. Dennoch endet die Hauptverhandlung mit einem Freispruch für den Mann. Zwar ist das Gericht vom Auftreten des Mannes alles andere als begeistert. Es findet sein Verhalten am Tattag provokativ, weil er eigentlich aufgrund der Vorgeschichte habe wissen müsse, dass seine Frau solche Avancen nicht wünsche. Dennoch sieht das Gericht, wie die Verteidigung,  die Grenze zur sexuellen Belästigung als nicht überschritten. Ein objektiver Betrachter erkenne in dem Vorfall keinen sexuellen Bezug. Und ein versuchter Kuss sei nicht strafbar, weil Tätlichkeiten bzw. sexuelle Belästigungen als Übertretungen nur strafbar sind, wenn sie vollendet werden (vgl. Art. 105 Abs. 2 StGB).

 

1, 2 oder 3? Welcher Bruder darf’s denn sein?

Fritz ist leidenschaftlicher Motorradfahrer. Ab und an fährt er auch richtig zackig, wovon das Administrativmaßnahmenregister eindrückliches Zeugnis ablegt. Eines schönen Abends soll er in Basel mit 76 km/h netto und damit 26 km/h zu schnell geblitzt worden sein. Das stellt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der Regel eine grobe Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG dar.

Zunächst gehen die Strafverfolgungsbehörden allerdings davon aus, dass Fritz‘ Vater der Täter ist, da das Motorrad auf ihn zugelassen ist. Der Vater gibt die Tat auch unumwunden schriftlich zu. Aufgrund eines ominösen Anrufs eines Sohnes glaubt die Polizei dem Vater indes nicht und konzentriert sich statt dessen auf Fritz. Ohne jegliche Einvernahme und weitere Abklärungen  (vgl. Art. 352 Abs. 1 StPO) erlässt der Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl gegen Fritz.

Nach unserer Einsprache gelangt der Fall ans Strafgericht. Der Vorsitzende führt die Hauptverhandlung fast so zackig wie Fritz sein Motorrad gelenkt haben soll, ohne Vorstellung, Behandlung von Vorfragen etc. (vgl. Art. 339 StPO). Er verurteilt Fritz im Sinne der Anklage. Unsere Einwände, der Vater habe die Tat zugegeben, das Motorrad könne von mehreren Personen benutzt werden, das Foto der Überwachungskamera mit dem knappen Ausschnitt des Gesichts des Fahrers unter dem Helm sei kaum aussagekräftig und Fritz habe übrigens einen Vater und zwei Brüder, die ihm nicht unähnlich seien, wischt das Gericht vom Tisch.

Das Appellationsgericht als Berufungsinstanz spricht unseren Mandanten Fritz mit Urteil vom 08. März 2018 frei. Zwar lägen durchaus Indizien gegen Fritz vor, doch die Tat könnte etwa auch vom jüngeren Bruder Toni begangen worden sein. Die Aussage des Polizisten, der den ominösen Anruf von Fritz entgegengenommen haben will, vermöge dessen Täterschaft nicht zu beweisen. Es lägen Zweifel vor, die in dubio pro reo zum Freispruch führen müssten (vgl. Art. 10 Abs. 3 StPO).

(Foto: Stefan Meichssner, Jasper National Park, Alberta/Canada, Oct. 2003)

Rotlicht überfahren als mittelschwere Widerhandlung

A. ist ein vorsichtiger Autofahrer. An einem schönen Sommerabend wird er an einer ihm unbekannten Kreuzung von der tief stehenden Sonne geblendet, so dass er das Lichtsignal nicht wahrnimmt und schon gar nicht erkennt, dass die Ampel auf rot steht. Weil er sich aber bewusst ist, dass er sich auf einer Kreuzung befindet, befährt er diese äußerst vorsichtig. Dennoch kommt es zu einem kleinen Unfall mit Sachschaden, den die Beteiligten auf der Stelle ohne die Polizei regulieren.

Die Polizei kommt aber trotzdem ins Spiel, weil eine Überwachungskamera den Vorfall filmt. A. hat die Kreuzung demnach in der Rotphase  17,8 Sekunden nach dem Lichtwechsel überfahren. A. wird deshalb  mittels Strafbefehl wegen einer groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Auf unser Anraten akzeptiert A. den Strafbefehl, namentlich weil dieser zurückhalten formuliert ist und A. ausdrücklich eine bloß fahrlässige Begehung vorwirft.

Statt dessen konzentrieren wir uns aufs anschließende Administrativverfahren vor dem Straßenverkehrsamt. In der Schweiz müssen wir immer noch mit dem fragwürdigen Dualismus von Straf- und Administrativverfahren leben, wenn wir gegen Bestimmungen des Straßenverkehrsgesetzes verstoßen (vgl. immerhin neu Art. 67e StGB betr. Fahrverbot). Als das Straßenverkehrsamt einen Fahrausweisentzug von 3 Monaten wegen einer schweren Widerhandlung nach Art. 16c SVG ankündigt, reichen wir für A. im Rahmen des rechtlichen Gehörs eine Eingabe ein. Wir stellen uns auf den Standpunkt, A. habe die Tat nicht mit grobem Verschulden begangen und er habe keine ernstliche Gefahr für andere geschaffen. Insbesondere fehle es an dem für die Annahme einer schweren Widerhandlung erforderlichen rücksichtslosen Verhalten, nachdem sich A. mit seinem Personenwagen in Schritttempo auf die Kreuzung vorgetastet habe. Daher sei der Vorfall aus verwaltungsrechtlicher Optik ausnahmsweise als mittelschwere Widerhandlung nach Art. 16b SVG zu würdigen, was mit einem Entzug von 1 Monat zu ahnden sei.

Das Straßenverkehrsamt des Kantons Zürich schließt sich dieser Auffassung an. A. wird, weil er wegen seines Berufes nachweislich Auto fahren muss, die Fahrerlaubnis für die minimale Dauer von 1 Monat entzogen, auf Wunsch während der Sommerferienzeit.

Freilassung aus U-Haft wegen drohender Überhaft

Unsere Mandantin war zur falschen Zeit am falschen Ort. Sie saß bei ihrem Vater während einer verdeckten Fahndung der Polizei im Auto. Als das Drogengeschäft mit 30 Gramm Kokain mit der „falschen“ Drogenkäuferin abgeschlossen war, erfolgte der Zugriff. Auch unsere Mandantin, die bei dem Geschäft auf Anweisung ihres Vaters einzig die Tüte mit dem ihr nicht genau bekannten Inhalt nach hinten gereicht hatte, wurde festgenommen und kam in Untersuchungshaft.

Das Zwangsmaßnahmengericht bewilligte ein erstes Mal die von der Staatsanwaltschaft beantragte Untersuchungshaft. Der dringende Tatverdacht eines qualifizierten Betäubungsmitteldelikts nach Art. 19 Abs. 2 BetmG sei genauso gegeben wie die Fluchtgefahr. Immerhin genehmigte das Gericht schon beim ersten Mal die Haft nur für zwei Monate anstatt der üblichen drei Monate.

Trotz Bemühen der Verteidigung war die Staatsanwaltschaft nach zwei Monaten nicht bereit, die Beschuldigte freizulassen und ihr „nur“ eine geringfügige Gehilfenschaft anzulasten. So wehren wir uns nun gegen das Haftverlängerungsgesuch, das im schriftlichen Verfahren gemäß Art. 227 Abs. 6 StPO geprüft wird. Den Einwand, der Verlängerungsantrag sei erst 3 Tage vor Haftende und damit im Hinblick auf Art. 227 Abs. 2 StPO zu spät erfolgt, akzeptiert das Zwangsmaßnahmengericht zwar. Doch es betrachtet die Frist als bloße Ordnungsvorschrift, deren Verletzung keine Folgen zeitige, solange wie hier die Haft provisorisch vor Ablauf der genehmigten Frist von 2 Monaten verlängert und über das Verlängerungsgesuch gemäß Art. 227 Abs. 5 StPO innerhalb von 5 Tagen definitiv entschieden werde (vgl. dazu auch BGE 137 IV 92 ff.).

Das Gericht folgt im Verlängerungsentscheid in materieller Hinsicht weitgehend der Verteidigung. Die Tat der beschuldigten Tochter sei mit großer Wahrscheinlichkeit höchstens eine Gehilfenschaft zum Betäubungsmitteldelikt des Vaters, so dass nicht die übliche 1-jährige minimale Freiheitsstrafe von Art. 19 Abs. 2 BetmG zur Anwendung komme.  Die Tochter sei nicht vorbestraft. Es sei mit einer bedingten Strafe zu rechnen, was zwar gemäß bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht entscheidend sei (vgl. BGE 133 I 270 ff. und Urteil 1B_283/2015). Wichtig sei aber, dass mit einer bedingten Entlassung nach zwei Drittel der reduzierten Freiheitsstrafe gerechnet werden könne. Angesichts dieser Umstände drohe im konkreten Fall bei einer Verlängerung der Untersuchungshaft sog. Überhaft. In Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und in Anwendung von Art. 212 Abs. 3 StPO wird daher die Beschuldigte freigelassen.

Unsere Mandantin wird innerhalb einer Stunde freigelassen – und setzt sich prompt ins Ausland ab.

(Foto: Auf dem Laugavegur Richtung Thorsmörk, mit Eyjafjallajökull, by Stefan Meichssner, August 2017)

Dublin ist nicht nur die Hauptstadt von Irland

Unter europäischen Politikern ist auch im Jahr drei der „Flüchtlingskrise“, bei der es sich in Tat und Wahrheit um eine politische Krise erster Güte handelt,  immer noch die Auffassung verbreitet, mit dem historischen Asylrecht und Umverteilungsaktionen die globalen Migrationsströme bewältigen zu können und die „Welt retten“ zu müssen. So wird in ärmeren Weltgegenden unter jungen Menschen die Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa geschürt. Denn mit dem Zauberwort „Asyl“ kann man trotz illegaler Einreise, kultureller Inkompatibilität und fehlender beruflicher Qualifikation fast immer bleiben. Viele Politiker kämpfen für ihre Ideologie und blenden dabei mitunter offensichtliche Tatsachen aus, ganz nach dem Motto: Was nicht sein darf, kann nicht sein. So würde etwa ein Blick auf die Landkarte genügen, um zu erkennen, dass es in der Schweiz oder in Deutschland, umgeben von sicheren Drittstaaten, gar keine echten Flüchtlinge geben kann. Wer ein Asylgesuch einreicht, ist noch lange nicht, wie es uns die Mainstream-Medien unermüdlich weismachen wollen, ein „Flüchtling“. Wer ein Baugesuch einreicht, ist ja auch nicht gleichzeitig Bauherr, geschweige denn Eigenheimbesitzer.

Als Teil des EU-Asylrechts legt die für die Schweiz faktisch verbindliche (vgl. Art. 5 Dublin-Ausführungsabkommen DAA; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 2017 E-1998/2016, Erwägung 5.3.1) Dublin-III-Verordnung (Verordnung [EU] Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013) die Kriterien und das Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats fest, der einen Antrag auf internationalen Schutz durch einen Drittstaatsangehörigen prüfen muss. Grundsätzlich ist bis 12 Monate nach Einreise derjenige Mitgliedstaat zuständig, über dessen Grenze der Migrant illegal in den Dublin-Raum gelangt ist. Kann die überquerte Außengrenze nicht nachgewiesen werden, ist derjenige Mitgliedstaat zuständig, in dem sich der Migrant während 5 Monaten ununterbrochen aufgehalten hat.

Unser Fall handelt von einem jungen Mann aus Ägypten, der sich auf der Suche nach einem besseren Leben nach Europa aufmachte. Er reiste 2015 unkontrolliert in Merkel-Deutschland ein, wo er 2016 ein Asylgesuch stellte. Weil er in Deutschland nicht bleiben wollte, kam er 2017 in die Schweiz, wo er ein weiteres Asylgesuch stellte. Auf dieses traten die Bundesbehörden gestützt auf Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG nicht ein, nachdem Deutschland der Rückübernahme gemäß der Dublin-III-Verordnung zugestimmt hatte (vgl. Art. 18 Abs. 1 Bst. b Dublin-III-Verordnung).

Die Dublin-Bestimmungen verbieten es, allein wegen eines Dublin-Verfahrens einen Migranten in Haft zu nehmen. Das Gesetz erlaubt eine Ausschaffungshaft vielmehr nur, wenn im Einzelfall Anzeichen befürchten lassen, der Betroffene werde sich der Wegweisung entziehen, und die Haft verhältnismäßig ist (Art. 76a Abs. 1 AuG). Anzeichen für ein Entziehen sind nach dem detaillierten Katalog in Art. 76a Abs. 2 AuG z.B. die Einreise in die Schweiz trotz bestehendem Einreiseverbot, die Verurteilung wegen eines Verbrechens oder die erhebliche Gefährdung von Leib und Leben von Personen. In unserem Fall war der Ägypter in Genf wegen eines nicht geringfügigen Diebstahls verurteilt worden und weigerte er sich partout, nach Merkel-Deutschland zurückzukehren. Daher ordnete das Migrationsamt die Dublin-Haft als Spezialfall der Ausschaffungshaft an.

Im Unterschied zur normalen Ausschaffungshaft findet bei der Dublin-Haft keine automatische richterliche Haftüberprüfung statt (Art. 80a Abs. 3 AuG). Im Gegenzug ist aber auch die Haftdauer kürzer: Die Dublin-Haft lässt sich grob in drei Phasen mit einer Dauer von 7 bzw. 5 bzw. 6 Wochen einteilen (vgl. Art. 76a Abs. 3 AuG).

 

 

 

 

 

Dicht am Wasser im dicht überbauten Gebiet

A. kämpft seit Jahren gegen erbitterten Widerstand aus der Nachbarschaft für die Baubewilligung für sein lang ersehntes Eigenheim. Beim Grundstück handelt es sich um eine der letzten noch nicht überbauten Parzellen in einer größeren Ortschaft, das an einem kleinen Fluss liegt. Ein erster Versuch scheiterte, weil die Beschwerdeinstanz die bisherige Praxis der Gemeinde nicht mehr tolerierte und neu die Grundstücksfläche im nicht bebaubaren Gewässerraum zur Berechnung der Ausnützungsziffer ausklammerte. Dadurch war die Ausnützungsziffer überschritten.

Jetzt wendet sich A. an uns, um das Projekt „beschwerdesicher“ zu machen. Doch auch die neue Baubewilligung wird von der Nachbarschaft weitergezogen, darunter sogar die ehemalige Verkäuferin der Parzelle. Dieses Mal scheitern jedoch die Beschwerdeführer und obsiegt der Bauherr.

Das Hauptproblem liegt im zweiten Verfahren im Gewässerabstand. Weil für den Fluss noch keine Nutzungsplanung durchgeführt worden ist, wozu die Kantone bis 31. Dezember 2018 verpflichtet sind, bestimmt sich der Gewässerabstand anhand der bundesrechtlichen Übergangsbestimmungen in der Gewässerschutzverordnung (Art. 36a Gewässerschutzgesetz [GSchG], Abs. 1 Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 4. Mai 2011 der Gewässerschutzverordnung [GSchV], Fachkarte Gewässerraum Kanton Aargau). Demnach handelt sich bei dem betroffenen Bereich um ein dicht überbautes Gebiet, in dem mit einer Ausnahmebewilligung unter Abwägung sämtlicher Interessen die Unterschreitung des Gewässerraums möglich ist (Art. 41a Abs. 1 Bst. a GSchV); vgl. BGE 143 II 77 ff. [Altendorf]; BGE 140 II 428 ff. [Dagmersellen]). Vorliegend darf gemäß kantonaler Genehmigungsbehörde ausnahmsweise bis 8 m an den Fluss gebaut werden, was von der Beschwerdeinstanz als rechtsfehlerfrei erachtet wird. Der normale Gewässerraum für den Fluss mit einer Gerinnesohle von 6 m würde ca. 14 m an jedem Ufer betragen (Abs. 2 Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 4. Mai 2011 der GSchV).

(Foto: Markarfljots-Schlucht, Island, Stefan Meichssner, August 2017)